Denn die Gefahr, daß sich wortkühne Vertreter extremer
utopischer Gegenpole in gerade geisteswissenschaftlich irre ge-
wordenen Millionen voreilige Massenzustimmungen verschaffen
und damit praktisch unheilvolle Auswirkungsmöglichkeit er-
ringen, ist gar nicht von der Hand zu weisen; sie ist in drohen-
der Nähe gerade angesichts der unzweifelhaften Krise noch
mehr der Geisteswissenschaften, als der Naturwissenschaften,
wie sie verschiedene weitverbreitete Werke neuen Erscheinens
verraten (107).
Zwei Gegensätze von großer geographischer Tragweite mar-
kieren von der Verbindung der Erdkunde und Soziologie her
entgegengesetzte Pole: einerseits die Montijnschen Ideen der
Verschiebung von Lebensformen im Lebensraum je nach ihrer
Fähigkeit, Grenzen zu erfüllen, die nach der htoralen (nieder-
ländischen) Einstellung des Verfassers natürlich nur die kon-
tinentalen Lebensformen z. B. Europas beträfe, denn die insu-
laren und litoralen sind ja seerandig und küstenfest! Montijn
vertritt den Gedanken bodenvager Grenzverlegung je nach dem
Lebensdrang, also eine Neuverteilung des Völkergrundbesitzes
auf der Erde alle paar Jahre nach der Geburtenzahl, eine
„Taikwa“, im großen, wie sie die Japaner schon von 645 bis
652 n. Chr. ausprobierten (708). Andererseits sehen wir die Rolle
des Neumalthusianismus als Grenzhüter, so wie sie ihm z. B.
Wells als Soziolog zudenkt, den Standpunkt der Raumbesitzer
mit einer Forderung erzwungener Trägestauung der nicht aus-
reichend mit Lebensraumreserven ausgestatteten Völker, aus-
gehend von der Vorstellung der möglichen Geburteneinschrän-
kung übervölkerter, engräumiger Lebensformen; er ist — bei
Licht betrachtet — aus wüstestem, erdumspannendem Man-
chestertum geboren! Das sind zwei besonders schroffe Gegen-
sätze, von wirtschaftlichem Egoismus und Materialismus in
seiner rüdesten Form geleitet. Darum können sich die Vor-
kämpfer des Klassenkampfs dabei von der Arbeitgeber- und
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