Full text: Grenzen in ihrer geographischen und politischen Bedeutung

prinzip“ (1708) mit extremen Fortbildungen Ratzelscher Ideen 
zu einer dauernden Wanderung und Verlegung der Grenzen, und 
in den Berichten von Wells und seiner Freunde von der Kon- 
ferenz von Washington gegenüberzustehen. 
Diese Berichte enthalten als Leitmotiv, an alle Lebensformen 
mit großer Volksdichte, reger Bevölkerungsvermehrung und 
starkem Lebensdrang (Innereuropa, Italien, Japan und China) 
gleichmäßig gerichtet, nichts anderes als die offene oder ver- 
schleierte Mahnung, sich mit Neu-Malthusianismus zu behelfen. 
Was ist das aber im Grunde anderes, als Clemenceaus derbe 
Äußerung von den „vingt millions de trop“ oder Ludwigs XIV. 
Standpunkt gegenüber der Rheingrenze, den Fenelon mit 
seinem berühmten Briefe so deutlich gegeißelt hat, daß wir 
vom innereuropäischen Standpunkt ihm nichts hinzuzufügen 
brauchen: 
„Es war von Haus aus ein reiner Revanchekrieg, darum sind 
alle Gebietserweiterungen, die er bewirkt hat, unrechtmäßig 
erworben von Anfang an. Freilich: Ew. Majestät scheinen die 
Friedensschlüsse diese Ungerechtigkeit zu decken; aber Frie- 
densschlüsse, die Besiegte unterschreiben, werden bekanntlich 
nicht aus freien Stücken unterschrieben. Man unterschreibt 
natürlich, wenn einem das Messer an die Kehle gesetzt wird. 
Man unterschreibt, wie man seine Börse hergibt, wenn einem 
keine andere Wahl bleibt als Geld oder Leben. 
Nicht einmal das läßt sich ins Feld führen, daß Sie das Recht 
hätten, gewisse Plätze deshalb zurückzuhalten, weil sie zur 
Sicherung Ihrer Grenzen dienen. Niemals gibt uns das Bedürfnis, 
unsere Sicherheit zu wahren, das Recht, unserem Nachbarn 
sein Land wegzunehmen. Sie haben den Frieden und seine Be- 
dingungen herrisch diktiert, anstatt ihn gerecht und maßvoll 
zu regeln. Darum konnte dieser Friede unmöglich von Bestand 
sein. Sie haben sich nicht einmal innerhalb der Grenzen dieses 
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