Gewiß: es wäre Gegenstand einer sehr umfassenden Doktor-
aufgabe, wie Passarge einmal angeregt hat, alle Präfixe der
Geographie zusammenstellend, vergleichend zu erläutern. Es
gibt tatsächlich wenige Lebenserscheinungen, die nicht mit der
Forderung, sich ihrer geographisch anzunehmen, schon als
Vorsatzsilben mit der Geographie zusammengefügt worden
sind: Anthropogeographie, Architekturgeographie, Bevölke-
rungsgeographie, Baustoffgeographie, Handelsgeographie, Mili-
tärgeographie, Pflanzengeographie, Kunstgeographie, Kultur-
geographie, Religionsgeographie, Siedelungsgeographie, Stadt-
geographie, Tiergeographie, Verkehrsgeographie, Wehrgeo-
graphie und Wirtschaftsgeographie. Das sind nur ein paar land-
läufige, aus vielen Möglichkeiten herausgegriffen !
Ozeanogeographie, Geographie der Meere, der Festländer
und viele andere sind nur durch die Schwerfälligkeit der Wort-
bildung vor der gleichen Verwendung geschützt worden; dem
Sinne nach bestehen auch sie. Ganz ähnlich könnte man bei
einer Sammlung landläufiger Ausdrücke für künstliche Gren-
zen durch Sammlung aller Vorsatzsilben zu dem Wörtlein
Grenze verfahren. Eingelebt sind sicher z. B. die Binnenzoll-
grenze (die chin. Likin), die „Linie“, die Finanzgrenze, die
Militärgrenze, die Wehrgrenze, die Rechtsgrenze, die Seezoll-
und Außenzollgrenze. Die Territorialgewässergrenze, die
Fischereigrenze, die Grenze zwischen Küsten-, Binnenmeer- und
Hochsee-Fischerei, in ihrem Zusammenhang mit der Kanonen-
schußweite, die Grenzen des „Beidrehens“, des Saluts, die des
U-Boot-Sperrgebietes, gewisse Sanitätsgrenzen: sie alle haben
wir in jüngster Zeit zu ernsthafte, bedeutsame Rollen spielen
sehen, um ihrer möglichen, jäh aufflammenden Wichtigkeit
zu nahe zu treten, ihre Gegenständlichkeit zu leugnen ; dennoch
werden wir sie alle „künstliche Grenzen“ nennen können.
Besonders naturwidrige Binnengrenzen pflegt man als „reine
Verwaltungsgrenzen“ zu bezeichnen und dadurch schonend
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