klassischen Zwischenstromlandes Mesopotamien (r782) durch
das Ringen um seine Stromgrenzen widerspiegelt, ist Bess-
arabien (783).
Hier ist die zweifelhafte Ehre, nächst dem Dreistromproblem
Innereuropas mit Rhein, Donau und Weichsel und dem aus-
geschalteten Isonzo die meistbesprochene Wasserlaufgrenze
Europas zwischen Pruth und Dniestr zu bilden, einem von ganz
heterogenen Bevölkerungen besiedelten Landstreifen von rund
45000 qkm zugefallen. An der schmalsten Stelle nähern sich
die zwei schicksalbestimmenden Grenzflüsse auf 22 km, die
Landgrenze gegen die z. Zt. im selben Reichsverband lebende
Bukowina beträgt 55,5 km, die Entfernung der geographischen
Breite des Machtschwerpunkts Kischinew (Chisinau) 77 km, die
weiteste Spannung an den Strommündungen in die Donau und
die Limanküste 198 km.
Man sieht ein in stärkster Weise durch die Eigenart zweier
viel umkämpfter Stromgrenzen bestimmtes Land; und der an
sich wohl dem Verkehr dienstbar zu machende, wenigstens
früher auf kleinen Strecken mit flachen Dampfern zu befah-
rende, vielgewundene Dniestr ist heute durch seine aufgenötigte
Grenzeigenschaft ein in seinem Verkehrs- und Kraftwert völlig
gelähmter Fluß. Er ist jetzt nur eine ausgezeichnete Stütze
für den Schmuggel zwischen den verschiedenen Wirtschafts-
systemen der Sowjets und des kapitalistischen Rumänien und
ein Schauplatz politischer Umtriebe, ein Unruheherd nicht nur
Europas, sondern der Welt — zumal Japan und selbstverständ-
lich die Sowjets die Dniestrgrenze noch nicht anerkannt haben
und es mehr als zweifelhaft ist, wer sich wirklich für sie ein-
setzen würde.
Die ganze Geschichte Bessarabiens, — von Uhlig ausgezeichnet
in ihrem unlöslichen Zusammenhang mit den geopolitischen
Daseinsbedingungen des schmalen Landfetzens aufgezeigt —,
ist eine große Anklage gegen die Naturwidrigkeit und Unmög-
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