Full text: Grenzen in ihrer geographischen und politischen Bedeutung

gefehlt, fast ganz aber an der geographischen Fragestellung 
nach dem Charakter der Grenzmark als Landschaftstypus in 
seiner Entwicklung gegenüber anderen Typen. Nur Ratzels 
Schule“ — (zu der ich mich allerdings mit einigem Stolz schon 
lange vor dem Kriege zähle, seit ich ihn persönlich kennen 
lernte) — „hat bisher in dieser Richtung Grundlegendes ge- 
schaffen, aber wenig Nachfolge gefunden.“ 
Braun sagt noch 1916 in diesem Buch: „Das größte politisch- 
geographische Problem der Geographie von Mitteleuropa aber 
ist dieses: Wie ist unter Ausnützung der von der Natur ge- 
gebenen und historisch gewordenen Grenzmarken die politische 
Grenzlinie von Mitteleuropa so zu ziehen, daß einerseits die Ein- 
heit von Industrie- und Ackerbaulandschaften im Innern ge- 
wahrt bleibe, andererseits die Grenzmarken eine wirksame 
Schutzzone bilden .. .“ 
„Jura, Vogesen, Lothringen, Luxemburg, die Ardennen und 
Flandern sind die westlichen Grenzmarken.“ 
Sie alle sind nun als Grenzmarken der politischen Lebens- 
form verloren, als Grenzmarken des Volksbodens bedroht und 
umkämpft, stellenweise gerade im Landschaftstypus nur noch 
mühsam erkennbar; und das alles, ehe die von der amtlichen 
Wissenschaft postulierte Arbeit geschehen war. Ist das nicht 
wirklich eine erschütternde Tatsache, wie ich sie vorher nannte? 
Ist es nicht ein Beweis dafür, daß auch die Wissenschaft, zu 
sehr in Einzelgebiete vertieft, ihre warnende Aufgabe gegen- 
über der Lebensform, mit der sie doch blühte und gedieh, gründ- 
lich verkannt hatte? Liegt es nicht nahe, daran zu denken, daß 
gerade deshalb vielleicht die Hochburgen dieser Wissenschaft 
an ihrer früheren Achtung in dem so enttäuschten Volke ver- 
loren? Wenn wir uns aber im Gegensatz zu diesem negativen 
Geständnis eines hervorragenden Vertreters der Wissenschaft 
aus ihren eigenen Reihen die positive Seite des Problems klar 
machen, wie eine richtige, geopolitisch wie kulturpolitisch
	        
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