Wie es Einzelne und Gefolgschaften gab, die immer von dieser
Eigenart des Grenzraines Gebrauch machten, gibt es auch klei-
nere und größere staatliche Lebensformen, die danach handeln.
Aus solchem biologischem Boden ist die Girlande von Staats-
wesen längs des Himalaya hervorgewachsen, aber auch die Ge-
meinwesen, die wie herabgefallene Steine einer alten Mauer die
zurückweichende deutsche Sprachgrenze im Westen begleiten.
Aus solcher Lage wuchsen Savoyen, Navarra — wenigstens in
seinem Herrschergeschlecht —, die Lande der Habsburger und
Hohenzollern, die Gebiete der Mandschudynastie zu ihrer welt-
geschichtlichen Bedeutung empor. Wir halten also hier ein
wirkungsvolles geopolitisches Motiv, das wir schon bei der Frage
nach der Entstehung anderer Bildungen zwischen den Grenzen
mit übergreifenden Kultur-, Macht- und Wirtschaftskörpern, bei
der Frage der Kondominien z. B., kennenlernten und hier nur
in neuer Beleuchtung sehen (23).
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VOM SCHRIFTTUM ÜBER DIE GRENZE.
DAS SCHRIFTTUM ÜBER DIE GRENZE, DIE GRENZLITERATUR —
was haben sie uns bisher gegeben, was blieben sie uns schuldig
auf dem vielfach redlich angestrebten Wege, bei ihren Ver-
suchen zu einer Grenztheorie zu gelangen? Von welchem
Boden immer und irgendwo man auch ausgehen mochte, ob
man versuchte, von der philosophischen oder rechtswissen-
schaftlichen Begriffsbildung und Idealvorstellung der Linie
ohne Eigenraum oder aber von dem Kampfplatz, der Kampf-
zone, der Empirie her allgemein Gültiges zu prägen: immer
setzte das Problem ein Erstes voraus — den Mut des Typisierens!
Dabei scheint der erste Weg mehr den Romanen, der zweite
mehr den Germanen nahe zu liegen; und es ist wohl bezeich-
3 Haushofer, Grenzen
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