nend, daß die einzelnen Vertreter deutscher Anschauungen von
der Grenze um so mehr an ihr herumspintisieren, je mehr sie
aus einst romanisierten Landschaften an Rhein und Donau
stammen, hingegen um so mehr dem praktischen Ideal der
Angelsachsen näher kommen, je nordischer sie selber empfin-
den und sehen.
Am höchsten scheint mir, beide Richtungen überschauend
und ihnen gerecht werdend, F. Ratzel zu stehen. Was er in den
„Gesetzen des räumlichen Wachstums der Staaten“ (24) gesagt
hat, ist wohl das am meisten Gedrängte und Geschlossene, das
Tiefste, was in deutscher Sprache über die Grenze gesagt wor-
den ist. Von dieser wirklich klassischen Stelle würde jede Be-
griffsbestimmung der politischen Geographie ohne Zweifel aus-
zugehen haben, wie auch tatsächlich der von O. Maull (25)
versuchte letzte große Schritt hier anhebt. Die bedeutendsten
neueren Schulmeinungen, die britische, deutsche, französische,
führen auch immer wieder auf diese Spur von Ratzels Ideen
zurück, nicht nur bei seinen unmittelbaren Schülern Helmolt,
Dix, Schöne in ihren politischen Geographien oder auf politisch-
geographischem Grunde emporgeführten weltgeschichtlichen
Arbeiten (26). Sie klingen auch weiter in den unermüdlichen
Anläufen von R. Sieger, zu klaren allgemein gültigen Begriffs-
bestimmungen über das Wesen der Grenze durchzustoßen, im
Streben von Winkler, die ganze Leistung der sterbenden Habs-
burger Monarchie auf dem Felde der Statistik noch in den
Dienst des Grenzgedankens zu stellen.
Wie ganz anders praktisch freilich als selbst die bedeutend-
sten Vorkämpfer deutschen Volksbodens, griff vor dem Kriege
das Angelsachsentum die Anregungen von Ratzel auf, die ihm
früh durch bedeutende Köpfe, wie Mackinder, vermittelt wur-
den! Lebendig wirkt sich diese Spur aus, so in Mahans und
Bryces Amerikatätigkeit, durch Curzon in Asien, im indischen
Glacisgebiet, durch Johnston in Afrika, durch Gregory und