nen kontinentalen Reiches gewinnen könnten. In der Portal-
überschrift des Magistrato sulle acque in Venedig ‚steckt eine
Quintessenz von Lehren für flüssige Grenzen! „Venetorum urbs
divina disponente providentia in aquis fundata, aquarum ambitu
circumsepta, aquis pro muro munitur — Quisquis igitur quo-
quomodo detrimentum publicis aquis inferre ausus fuerit et
hostis patriae judicetur nec minore plectatur poena quam si
sanctos muros patriae violasset ...“ (71).
Das ist geopolitische Erkenntnis von Meeresgrenzen in klas-
sischer Form! Zu der so sehr umstrittenen Frage der Reich-
weite der Küstengewässer, der Dreimeilengrenze und Kanonen-
schußweite, jenem seltsam primitiven Maßstab der Küsten-
gewässer- Ausdehnung, sind in der Wirklichkeit beständig Fälle
anhängig, die nebenbei auch zeigen, wie weit die Menschheit
in der Praxis noch von dem Zustand ist, Macht durch Recht
ersetzen zu können; so in der Frage der Küstengewässer in
Spanien und Schweden, die beide die Dreimeilenzone bestreiten
und ihre Macht weiter hinaus auf vier erstrecken wollen. Das
gleiche ist der Fall bei der Sowjetregierung für das Weiße
Meer, wo man der britischen Raubfischerei und dem Waffen-
schmuggel und Nachrichtenschmuggel zu begegnen wünschte,
1922 zu scharfen Gegenmaßnahmen griff und der britischen
Regierung auf ihre Drohung zur See gleichfalls durch Entsen-
dung eines Kreuzers antwortete. Hier, am Nordstrand der
Sowjetbünde, liegt ein umgekehrtes Interesse vor, wie bei der
britischen Überwachung des Persischen Golfs gegen die Waffen-
einfuhr nach Afghanistan und Indien, wo die Seemacht den
Kontinent waffenlos halten will. Strenge Durchführung des aus
der Kanonenschußweite entstandenen Dreimeilenbegriffs öffnet
z. B. die japanischen Randmeere, das Asowsche fremdem Ein-
dringen. Die Kanonenschußweite, in vielen Verträgen noch an-
erkannt, macht Inlandsee und Japansee, nächstens aber auch
den Kanal zum mare clausum, denn Kanonenschußweite ist
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