Full text: Die Systeme im neuzeitlichen deutschen Genossenschaftswesen, ihre Entstehung und ihr gegenwärtiger Stand

90 Zweiter Teil. Systemfragen der deutschen Raiffeisengenossenschaften. 
aus Einlagen gewannen, so bildete sich immer mehr der Gebrauch 
heraus, den Zinssatz für Kredite nach einem angemessenen Zuschlag 
auf den Zinssatz für die Einlagen zu bestimmen. Dieser Zuschlag 
betrug im großen Durchschnitt 1 v. H., teilweise auch nur % v. H. 
In den wohlhabenden Gegenden des Westens waren die Zinssätze 
überwiegend niedriger als im kapitalarmen Osten. 
Eine Besonderheit der Zinspolitik der Darlehenskassenvereine lag 
noch darin, daß sie ihre Zinssätze stabiler gestalten konnten als es 
sonst im Bankverkehr üblich war. Der Geldausgleich vollzog sich 
zum größten Teil innerhalb der Vereine und ihrer Zentralkasse. 
Es war also im allgemeinen nicht nötig, mit Wechseln an die Reichs- 
bank oder die Großbank zu gehen und in Abhängigkeit vom Diskont- 
satz der Reichsbank oder vom Privatdiskont zu kommen. Für die 
Geldflüssigkeit war die jeweilige Lage der Landwirtschaft und dafür 
besonders der Ernteausfall maßgebend. Aber es kamen doch Zeiten, 
in denen für die Zentralkasse die Geldbeschaffung von anderen 
Stellen notwendig wurde. Die in der Vorkriegszeit auf Tagungen 
der Raiffeisenorganisation gelegentlich ausgesprochene Meinung, daß 
sie vom allgemeinen Geldmarkt unabhängig sei, war in dieser Form 
eine Utopie. Aber die Gleichmäßigkeit: der Zinspolitik war eine 
bessere als sonst. Die Inflation hat auch hinsichtlich der Zinspolitik 
ihre revolutionären Wirkungen ausgeübt. 
b) Die anderen Genossenschaftsarten. 
Diese traten zu Lebzeiten Raiffeisens noch stark zurück. Raiffeisen 
dachte sie als Untergenossenschaften der Darlehenskassenvereine für 
bestimmte Zwecke, insbesondere wohl für solche Aufgaben, die nicht 
für alle Mitglieder in gleicher Weise in Betracht kamen. Sie sollten 
auf ihre bestimmten wirtschaftlichen Zwecke sich beschränken. Bei 
ihnen wurden auch Geschäftsanteile in höheren Beträgen und Divi- 
denden vorgesehen. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von den 
besonderen landwirtschaftlichen Genossenschaften, welche ander- 
weitig entstanden sind. Sie werden in der Raiffeisenorganisation 
unter der Bezeichnung Betriebsgenossenschaften zusammengefaßt. 
Da sich nach Raiffeisens Tode zeigte, daß die von Raiffeisen selbst 
geplante Einordnung dieser Genossenschaften in sein System auf die 
Dauer nicht durchführbar war, haben gerade diese Genossenschaften 
dem System Raiffeisen schwere Belastungen bereitet. 
Heute haben die sogenannten Betriebsgenossenschaften im General- 
verbande im wesentlichen die gleiche Stellung wie anderwärts. Ihr
	        
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