Full text: Die Systeme im neuzeitlichen deutschen Genossenschaftswesen, ihre Entstehung und ihr gegenwärtiger Stand

Zweiter Abschnitt, Die Weiterentwicklung des Systems nach Raiffeisens Tode. 97 
den Umgestaltung der Satzung die Zulassung der Betriebsgenossen- 
schaften als Aktionäre beschlossen. Die Deutsche Raiffeisenbank 
wurde dadurch die Geldausgleichs- und Kreditstelle für die sämtlichen 
Genossenschaftsunternehmungen des Generalverbandes, aber so, daß 
den Spar- und Darlehenskassenvereinen die große Mehrheit in der 
Generalversammlung gesichert wurde. Der langjährige Kampf um 
die Stellung der Betriebsgenossenschaften in der Raiffeisenorganisation 
kam dadurch zu einem Abschluß. 
Nach alledem ist nach Raiffeisens Tode an dem von ihm geschaffe- 
nen System viel herumprobiert worden, ohne daß dabei folgerichtig 
vorgegangen wäre. Unverändert geblieben ist dabei aber allezeit 
der Spar- und Darlehenskassenverein. Er hat sich ohne wesentliche 
Beanstandungen behaupten können und ist in allen Wirren und 
Kämpfen der alte geblieben. An ihm hat Raiffeisens Schöpferkraft 
sich unvergleichlich bewährt. Er ist allezeit das Kernstück der Raiff- 
eisenorganisation gewesen. Er hat auch in den schwierigsten Lagen 
das unzerreißbare Bindeglied gebildet. Die Anhänglichkeit und 
Treue an „Vater“ Raiffeisen bewährte sich am besten bei dem Spar- 
und Darlehenskassenverein. Diesen hatte er selbst in unendlich 
mühevoller Arbeit geformt. Er hat immer neue Generationen an sich 
gezogen und dem Bauernstand die endliche vollständige Befreiung 
gegeben, die ihm die politischen Gesetze aus dem Anfang des Jahr- 
hunderts nur unvollständig gewährt hatten, weil an die Stelle des 
früheren Herren, des Feudalherrn, ein neuer schlimmerer Herr, der 
Wucherer getreten war. Der Spar- und Darlehenskassenverein er- 
schien in der Vorkriegszeit nur unter dem Gesichtspunkte gefährdet, 
daß der steigende Wohlstand die in ihm gebotene Kredithilfe entbehr- 
lich machen oder daß der steigende Umfang der Geschäfte auch bei 
lokalisierten Vereinen die bisherigen Formen der ehrenamtlichen Ver- 
waltung sprengen könnte. Solche damals oft geäußerten Gedanken 
sind gegenstandslos geworden. Die Spar- und Darlehenskassenvereine 
haben genau wie die Vorschußvereine der Inflation ihren Tribut 
leisten und von vorne anfangen müssen. Aber sie sind in dem ver- 
armten Deutschland und angesichts der moralischen Verwirrungen 
der Kriegs- und Nachkriegszeit, auch angesichts der Kreditkrisis der 
Landwirtschaft, notwendiger als je. Ihr System steht auch heute 
unerschüttert da, wie zu Raiffeisens Zeiten. Die Systemschwierigkeiten 
in der Raiffeisenorganisation sind im wesentlichen aus dem Eindringen 
neuer Genossenschaftsformen entstanden, für welche Raiffeisen noch 
keine Einrichtungen geschaffen hatte, nämlich der Formen für den 
Seelmann-Eggebert, Genossenschaftswesen.
	        
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