Erster Abschnitt. Die Entwicklung des Systems bis zu Raiffeisens Tode. 87
Bei jedem Kredite muß festgestellt werden, in welche Form er zu
bringen ist, bei Darlehen, in welchen Raten die Tilgung zu erfolgen
hat. Werden dabei Fehler gemacht, so zeigt sich dies für den sach-
verständigen Prüfer sofort bei der Abwicklung des Kontos. Auf
Fehler bei der Einräumung der Kredite ist vielfach schon das An-
sammeln von Rückständen zurückzuführen. Es gehört zu den stän-
digen Aufgaben der Verbandsrevisoren, solche Fehler aufzudecken
und ihre Abstellung herbeizuführen.
Unter den bisher erörterten Gesichtspunkten verliert auch das
Mißverhältnis zwischen den Ausleihe- und Anleihefristen viel von
der Bedeutung, die ihm Schulze-Delitzsch und andere beigelegt
haben. Es sind eben nicht alle Betriebsmittel auf lange Zeit fest-
gelegt und keineswegs auf die gleichen Termine abgestellt. Die
Betriebsmittel sind bei den Darlehenskassenvereinen wie auch sonst
im Bankverkehr in steter Bewegung. Auf die langfristigen Kredite
erfolgen die Tilgungen. Kurzfristige Darlehen und laufende Rech-
nungen bringen Zuflüsse und Abflüsse. Eine Gefährdung der Liqui-
«dität infolge der langen Ausleihefristen ist nicht praktisch geworden.
Von dem außerordentlichen Kündigungsrecht ist unter dem Gesichts-
punkt der schnellen Beschaffung von Betriebsmitteln auch in den
kritischen Wochen vor und nach dem Kriegsausbruch nicht Gebrauch
gemacht worden !°). Es hat sich nicht einmal als besonders bedenklich
erwiesen, daß beim Darlehenskassenverein für ein Mitglied neben
einer laufenden Rechnung ein besonderes Darlehenskonto besteht
oder daß zwei Darlehenskonten nebeneinander laufen. Dies kann im
Einzelfalle sogar durchaus berechtigt sein. Wenn zum Beispiel ein
Mitglied für die laufenden Wirtschaftsbedürfnisse ein Konto in lau-
fender Rechnung hat und dann zur Verbesserung seiner Wirtschaft
‚in Darlehen aufnehmen will, das aus den gesteigerten Einnahmen
in einigen Jahresraten abgedeckt werden soll, so kann dies sehr wohl
zweckmäßig sein. Es ist ferner nicht abzusehen, weshalb ein Mit-
glied, welches für einen bestimmten Zweck ein in fünf Jahresraten
abtragbares Darlehen erhalten und die übernommenen Verpflich-
tungen in den ersten drei Jahren prompt erfüllt hat, nach Ablauf
von drei Jahren für einen anderen wirtschaftlichen Zweck nicht ein
neues Darlehen erhalten sollte, wenn anzunehmen ist, daß es auch
die dafür angebotenen Abträge leisten kann.
10) Vgl. Seelmann, Die Ostpreußischen Raiffeisengenossenschaften in den
Kriegsjahren.