Full text: Der mitteldeutsche Industriebezirk

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Bevölkerung von größter Bedeutung für die Entwicklung der 
einzelnen Industrien sind, hat vielfache Erfahrung erwiesen, und 
zwar sind nicht nur die gerade für die Ausübung bestimmter 
einzelner Tätigkeiten in Frage kommenden Eigenschaften von 
Bedeutung, sondern vielleicht noch mehr die allgemeine Ver- 
anlagung, wie etwa die größere oder geringere geistige Be- 
weglichkeit, die verschiedene Anstelligkeit und manches andere 
mehr. So ist es sicher in den eben erwähnten für Mittel- 
deutschland günstig liegenden Umständen begründet, daß die Um- 
stellung der Textilindustrie von alten handwerksmäßigen auf 
moderne Formen in der thüringischen Hausindustrie ohne empfind- 
lichere Schwierigkeiten‘ vor sich gegangen ist, ja die Entwicklung 
hochbedeutsamer Industriezweige zur Folge gehabt hat — man 
denke etwa an die Apoldaer Phatasiewirkwarenindustrie —, in 
Schlesien dagegen, wo die betroffenen Bevölkerungsschichten nicht 
die gleiche geistige Beweglichkeit zur Umstellung besaßen, zu 
deren Aushungerung fast im buchstäblichen Sinne des Wortes ge- 
führt hat. Auch ist es sicher kein Zufall, daß gerade viele thürin- 
gische Industriezweige, die fachlich weit auseinander liegen, doch 
das gemeinsame Merkmal des Erfordernisses besonderer geistiger 
Mitarbeit und Geschicklichkeit seitens der Arbeiter haben, so vor 
allem die Spielwarenindustrie, optische Industrie, Glasinstrumenten- 
industrie, Luxusporzellanindustrie, Waffenindustrie u. a. m. 
Alle diese Gesichtspunkte lassen nun auch Mitteldeutschland 
als einen besonderen geschlossenen Industriebezirk erscheinen, 
wenngleich das Bewußtsein der Gemeinsamkeit zahlreicher wich- 
tiger wirtschaftlicher Interessen noch nicht überall durchgedrungen 
ist. Immerhin zeigen Organisationen wie der Verband der mittel- 
deutschen Industrie, das mitteldeutsche Braunkohlensyndikat, der 
Verband sächsisch - thüringischer Webereien, der Verband thürin- 
gischer Metallindustrieller u. a. m., daß der Gedanke der Zusammen- 
gehörigkeit der mitteldeutschen Industrie über die Landesgrenzen 
hinweg sich immer mehr Bahn bricht. Gewisse gesamtdeutsche 
Verbände wie das Kalisyndikat, der Verband Deutscher Luxus- 
porzellanfabriken, der Verband Deutscher Glasinstrumentenfabriken 
u. a. wirken angesichts der geographischen Verbreitung der in 
ihnen zusammengeschlossenen Industriezweige in gleicher Rich- 
tung. Noch aber muß manche Strecke Weges zurückgelegt 
werden, bis der Gedanke eines gesamtmitteldeutschen Industrie- 
bezirkes Allgemeingut geworden ist, bis insbesondere die er- 
forderliche enge Fühlung zwischen Sachsen und dem übrigen
	        
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