vorübergehenden Einstellung, daß wir beim Lesen eines Korrek-
turbogens dann Druckfehler übersehen, wenn wir nur auf den
Sinn achten, und daß wir den Sinn nicht verstehen, wenn wir
nur auf die Druckfehler achten.
Ruft man einer größeren Anzahl von Zuhörern durcheinander
einsilbige und zweisilbige sinnlose Gebilde zu, nachdem man die
Zuhörer vorher aufgefordert hat, auf jedes sinnlose Gebilde
schriftlich mit einem anderen sinnlosen Gebilde zu reagieren, so
zeigt sich, daß unwillkürlich auf die einsilbigen Gebilde vor-
wiegend mit einsilbigen, auf die zweisilbigen vorwiegend mit
zwei- und mehrsilbigen reagiert wird. Das Zurufen einsilbiger
Gebilde bewirkt hier ohne weiteres eine Einstellung, die dem
Reagieren mit einsilbigen günstig ist, während das Zurufen von
zweisilbigen Gebilden eine der Reaktion mit zwei- und mehr-
silbigen Gebilden förderliche Einstellung bewirkt. Auch viele
andere Experimente zur Demonstration der Einstellung der Per-
sönlichkeit lassen sich leicht ausführen VD.
Diese Beispiele zeigen schon, daß wir eine willkürliche, von
der Persönlichkeit beabsichtigte und eine unwillkürliche, ihr gar-
nicht zum Bewußtsein kommende Einstellung unterscheiden
müssen. Daß es freilich zwischen der extrem willkürliehen und
der extrem unwillkürlichen Einstellung Übergänge gibt, ist
selbstverständlich. Von großer Bedeutung ist die unwillkürliche-
Beeinflussung des Intellekts des Menschen durch sein Gefühls-,
Willens- und Triebleben. Quae volumus, eredimus libenter, sagt
schon ein lateinisches Sprichwort und Schopenhauers Lehre vom
Primat des Willens über den Intellekt ist wesentlich ein Aus-
1) Näheres in meinem Aufsatz „Über Persönlichkeit, Einstellung, Sug-
gestion und Hypnose“ in der Zeitschrift für die gesamte Neurologie und
Psychiatrie. Bd. 94. Heft 2/8. 1925. S. 8359. Dieser Aufsatz sowie
mein Münchener Kongreßvortrag vom Jahre 1925 über Einstellung und
Umstellung (vgl. Zeitschrift für angewandte Psychologie. Bd. 26. 1925.
S. 43 ff.) wurden teilweise für den obigen Text verwendet.
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