Die grundsätzlich falsche Einstellung des Gesetzentwurfes 15
2. Der Gesetzentwurf verkennt vollständig die Handwerkern als Lieferer die Frage behandelt
gerade bei Ausschreibungen häufig auftretende wurde:
übermäßige Ausnutzung des freien Wettbewerbes. »Mit welchen Mitteln können
Die Begründung des Gesetzentwurfes führt die schweren Mißstände, die sich
als Zweck desselben. an: immer mehr auf dem Gebiete des
„Die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen 8 t S innen ung A eh Su
dem Zwecke, bei Vergebung von öffentlichen missionswesene zeigen, am wirk-
Aufträgen die freie Konkurrenz in vollem Um- samsten bekämpft werden?«
fange wieder zur Geltung zu bringen.“ Hier wurde an Hand langer Aufzählungen
Demgegenüber ist auf das Stärkste von Uebergriffen der Ausschreibenden ein ge-
zu betonen, daß bei Ausschreibungen setzliches Einschreiten zu Gunsten der
erfahrungsgemäß durch die übermäßige Lieferer gefordert.
Ausnutzung der freien Konkurrenz sehr Als Schilderung der derzeitigen Lage seien
häufig die Preise unter das wirtschaftlich ferner beispielsweise folgende Ausführungen
gesunde Maß herabgedrückt und die wiedergegeben, die sich in einem Artikel: „Das
Lieferbedingungen einseitig zu Un- Sterben der Wirtschaft‘ in der Industrie- und
gunsten der Lieferer verschärft werden, Handelszeitung der Germania vom 30. De-
zum Schaden aller Beteiligten und der zember 1925 finden:
Gesamtheit. Das war auch schon vor dem „Das Submissionswesen hat böse HEr-
Kriege so. Die Ergebnisse der Submissionen scheinungen gezeitigt. Die kleinste Arbeit
zeigten fortwährend so ungewöhnlich niedrige wird umkämpft. Die durchschnittliche Be-
Preise und so unverständliche Preisdifferenzen, werberzahl sinkt nicht unter 50. Gewöhnlich
daß diese »Submissionsblüten« ein ständiges kämpfen 70 bis 100 Unternehmer um die
Gesprächsthema bildeten. Arbeit, die in ihrer Not oft Preise unter den
Als Beweis für die mit den Ausschreibungen Seibstkosten abgeben, weil sie auf GES:
verbundenen Mißstände sei zunächst auf die An- AU hoffen. ‚Tee. FACH Sich uf
: ° . . . den ersten Blick die Unterbietung. Die Be-
schauung hingewiesen, die das Reichsgericht hörde aber gibt dem Billigsten die Arbeit und
in ständiger Rechtsprechung über die Sub- wenn er darüber zugrunde geht. Könnte nicht
missionskartelle entwickelt hat. Nach der diesem Verzweiflungskampf dergestalt be-
Entscheidung vom 1. April 1913, VI. 46/13 sind gegnet werden, daß die Arbeit grundsätzlich
Submissionskartelle Vereinigungen, »die der nicht dem Billigsten übertragen wird? Im
wirtschaftlichen Not und dem Selbst- Gegenteil aber scheint manche Behörde die
erhaltungstrieb entsprungen sind, um Notlage der Gewerbetreibenden auszunutzen.‘
aus unreellen Unterbietungen sich er- Der Gesetzentwurf hat dagegen die
gebenden Mißständen vorzubeugen«. volkswirtschaftlichen Gefahren eines
Das Reichsgericht erklärt sie »für zu starken Drucks auf die Preise offen-
rechtlich nicht zu beanstanden und bar nicht erkannt oder sieht sie nicht
nicht sittenwidrig, weil sie geeignet als aktuell an.
sind, Unternehmen, die durch Schleu- Daß gerade für Submissionen, wo die
derpreise die ausgeschriebenen Ar- Besteller erfahrungsgemäß gewöhnlich
beiten und Lieferungen in schranken- am stärksten dastehen, ein. Sonder-
losem Wettbewerb an sich zu reißen gesetz zum Schutze der Besteller not-
suchen, zur Abwendung von schweren wendig sei, kann keinesfalls anerkannt
wirtschaftlichen Schäden entgegen- werden. Viel eher könnte hier ein solches
zutreten«. Nachdem Standpunkt des höchsten zum Schutz der Anbieter in Frage kommen.
Gerichtshofes ist es auch. an’ sich nicht sitten- Richtig ist,“ daß’ Mer Areie Weitbewarb all
widrig, wenn die unter den Beteiligten bestehen- ich tra
$ T wichtigste Grundlage des .Wirtschaftslebens an-
den Abmachungen, dem die Verdingung veran-
gesehen werden muß und daß daher der Staat
staltenden. Besteller geheimgehalten. werden, sowohl als auch alle Beteiligten die Freiheit des
Ferner sei hingewiesen auf die Verhandlungen Wettbewerbes nicht mehr als wirklich notwendig
des 13. deutschen Handwerks- und Gewerbe- einschränken sollten. Sicher hat aber die
kammertags in Würzburg am 12.—14. August Erfahrung gezeigt, daß der rück-
1912, auf den in mehreren Referaten von den sichtslose und ungeordnete Konkur-