Object: Das Flammenzeichen vom Palais Egmont

Professor Dr. Theodor Lessing. ar 
für die Zwecke der Menschenwirtschaft —, so kommen nun an die Reihe: 
die farbigen Völker. Einige davon haben noch Verwandtschaft mit außer- 
menschlicher Natur. Die Indianer, die tapferen Negervölker Afrikas, die 
Hindu, das uralte China. 
Betrachten wir zuerst einige Fußspuren der europäisch-amerikanischen 
Weltwirtschaft. Mehrere hunderttausend Russen, hunderttausend Armenier, 
hunderttausend Albanier sind entlang dem Land Schan6 auf der großen 
Karawanenstraße in die Wüste getrieben worden. Abgeschlachtet angesichts 
der zeitungschreibenden Kulturwelt. Indes von allen Kanzeln der Christen- 
heit die herrlichste Ethik gepredigt wird, welche die Erde kennt. 1922 haben 
wir in Australien die Dampfpflüge mit Getreide geheizt, um die Frachtkosten 
herabzudrücken und höhere Getreidepreise zu erzielen. In den Münzen von 
Philadephia und New York lagerte bergehoch das Silber und das Gold. Weil 
man die Goldstücke nicht alle benutzen konnte, so blieb nichts übrig, als sıe 
zu bergehohen Klumpen einzuschmelzen. Was aber geschah währenddes in 
Rußland? Eine Million Menschen verhungerte. Die Kinder fraßen ihre 
Eltern. Die Eltern schlachteten ihre Kinder. In Deutschland war von 1919 
bis 1921 eine große Sterblichkeit unserer kleinen Kinder. Ich habe Kinder 
gesehen, die leicht zu retten waren, wenn man ihnen nur Milch gegeben hätte. 
Aber wir hatten keine Milchkühe. Wir mußten sie nach dem Vertrag von 
Versailles an Frankreich ausliefern. Um dieselbe Zeit aber hat Argentinien 
ganze Pünderherden zu Büchsenfleisch verarbeitet. Da man es nicht aus- 
führen konnte, so hat man Seife daraus gemacht. 
An der Stätte, wo zwei der leuchtendsten Geister unserer weißen 
Rasse über die Zukunft der Menschenwirtschaft gegrübelt haben — 
Elise Reclus und Karl Marx —, in Brüssel sind wir zusammen- 
gekommen, um zu fragen: Wie können wir die drohende Selbstzerstörung der 
Erde verhindern? Die Selbstzerstörung durch die Mordtechnik des Kapitals 
und der Zivilisation. Dennoch können wir alles retten! Aber ehe ich Ihnen 
die positiven Wege zeige, will ich versuchen, das Problem zu formulieren: 
Das Problem der Kolonisation, um das es sich für uns hier handelt. Ich 
möchte aber bitten, daß niemand sich verletzt fühlt, wenn ich sachlich 
schroff die Wahrheit sage: Wehe jedem Volke, das untreu wird seinen 
autochthonischen Göttern, seiner Überlieferung, seiner Sprache, Schrift oder 
Volkssitte, Volkstracht, Religion und seinem Mythos. Solche Völker sterben 
aus. China steht im Begriff, Indien steht im Begriff, Afrika steht im Begriff, 
sich selber untreu zu werden. Alle gelben, braunen, schwarzen Menschen 
schweben dauernd in der Gefahr, sich zu verlieren an den Maschinenpark 
Amerika und Europa. Sie sind hierhergekommen; Chinesen, Ägypter, 
Perser, Sudanesen, Syrier, Inder, Mexikaner, um uns zu sagen: Wir sind freie 
Männer. Wir sind so gut wie Ihr. Wir können auch, was Ihr könnt. Sind 
ebenso klug, ebenso gelehrig, ebenso politisch. Das wissen wir! Aber... 
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