Full text: Die Bedeutung des "Nationalen Systems" für die Vergangenheit und für die Gegenwart

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„Heute können von »künstlichen Maßnahmen« nur noch 
Kampfzölle_oder Notstandszölle zur Diskussion gestellt werden. 
Heute würde List denen, die unter Berufung auf ihn Erzie- 
hungszölle heischen — das tun ja die Wortführer verschiedenster 
während oder nach dem Kriege neuerstandener oder stark erweiterter 
Industrien! — ein rundes Nein entgegensetzen. Er würde sagen: 
das Argument des »Vorsprungs an Zeit«, auf.das.mein. Programm 
von 1841 gestellt war, verfängt heute nicht mehr. Die Gewerbe, 
zu welchen Deutschland »berufen« ist, hinsichtlich deren es sich 
»besonderer Vorteile« erfreut, sind inzwischen emporgekommen. 
Die Periode, wo es den Manufakturen Erziehungsschutz gewähren 
mußte, hat Deutschland längst überschritten?; das ist von euren 
Wissenschaftlern schon oft mit Nachdruck betont worden — von 
Brentano, Lexis, Lotz, Pohle; jetzt wird es auch von manchem der 
führenden Praktiker? zugestanden! 
Das Programm von 1841 hat für uns nur noch historischen 
Wert. Ganz anders steht es mit dem im Nationalen System ver- 
kündeten Ideal. 
IL. 
Vertrug sich, wie oben gezeigt, Erziehungsschutz durchaus 
mit der Dogmatik der Klassiker, so wäre ihnen der Exportindu- 
striestaat, in dem List der Weisheit letzten Schluß erblickte, 
ein Ärgernis gewesen, Die Fahne herunterzuholen, die einst Colbert 
gehißt hatte und die während mehr denn zwei Generationen von 
den Fürsten und Geheimräten, den Geschäftsleuten und den 
Männern der Studierstube nahezu widerspruchslos salutiert worden 
war — in diesem Bestreben fand sich der ganze Frühliberalismus, 
so viele Schattierungen er auch sonst aufwies, zusammen, 
Die Neuerer des Achtzehnten wollen (ich betone nochmals: 
unter Zulassung gewisser Ausnahmen) den Freihandel. Doch 
ihnen bangt vor einer Folge, welche der Freihandel haben kann, 
unter gewissen Umständen (s. u.) haben muß: nämlich davor, daß 
1 Auch für die Landwirtschaft fordert man Erziehungszölle, unter Be- 
rufung auf List; man weiß nicht, daß er jeden Agrarschutz verwirft (s. unter II). 
2? Nach W. Lotz, Finanzen und Handelspolitik, war »das Stadium, 
in welchem ein Abbau. des industriellen Schutzzollsystems nach Abschluß 
der Jugendperiode vorzunehmen war, im Listschen Sinne [schon] etwa um 
1862 gegeben« (Schriften des Vereins für Sozialpolitik; 171. Bd.: Neue Grund- 
lagen der Handelspolitik, Teil ı: Deutschland; München und Leipzig 1925. 
S. 57). Nach andern erst Anfang der Siebziger. 
3 Vgl. die Rede Vöglers auf dem deutschen Eisenhüttentag, Anfang 
November 1924. — Stinnes soll kurz vor seinem Tode erklärt haben, die 
deutsche Wirtschaft brauche den »frischen Wind völliger Freiheit«
	        
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