o
5
diese Entwicklung wieder beschleunigt. Um nach schwersten,
unerhört heftigen parlamentarischen Kämpfen unter Bülow von
neuem verlangsamt zu werden: die Folge der Festlegung von
Mindestzöllen für Korn im Generaltarif von 1902 — wesentlich
höheren, als der »Mann ohne Ar und Halm« sie Rußland usw.
zugestanden — war, daß die »Vertragsgegner« die deutschen
Fabrikate höher belasteten und deren Export stärker erschwerten,
als sie bei Fortsteuerung des Caprivikurses getan hätten.
Die Dauer der Verträge des »agrarischen Reichskanzlers« er-
streckte sich bis 1917. Deshalb und ferner deshalb, weil während des
Kriegs der Verkehr mit dem Auslande nahezu völlig unterbunden
war, gab es eine längere Kampfpause. Doch als im August 1924
das Kabinett Luther mit dem Plan, den Kurs von 1902 wieder
aufzunehmen, hervortrat, entbrannte der Streit von neuem,
Auf Mindereinfuhr von Lebensmitteln und Materi-
alien! geht das Programm der einen; auf Mehrausfuhr von
Fabrikaten das der andern. Jenen schwebt als Ideal das »har-
monische« Wirtschaftsgebilde vor: der Staat, wo die Möglichkeit
ferngehalten wird, daß die nationale Bodenproduktion gegenüber
der Industrie usw. mehr und mehr ins Hintertreffen gerate und
demgemäß immer größere Abhängigkeit von fremdem Korn
usw, Platz greife. Diesen das »einseitige« Wirtschaftsgebilde,
das Wunschland Lists,
Von der Reichsregierung verlautbaren, wie einst von denen
um Bülow, Erklärungen zugunsten einer Politik der »mittleren
Linie«; des Ausgleichs zwischen jenen zwei konträren Idealen,
bzw. den Sonderinteressen, die hinter ihnen stehen. Die Reichs-
regierung möchte sowohl erreichen, daß geringere Mengen von
Korn usw. hereinkommen, als auch, daß größere Mengen von
Farbstoffen, Maschinen, Elektroartikeln, Geweben, Konfektion,
Keramiken, Spielzeug hinausgelangen. Das heißt, sie grübelt
über die Lösung eines Problems, das gleich unlösbar ist
wie das der Quadratur des Zirkels. Denn: vom Auslande
weniger Lebensmittel und Materialien kaufen — würde List
redivivus sie belehren — kommt, selbst wenn unsere Exportartikel
ı Heute wird hinsichtlich weit mehr Materialien als früher Erschwerung
des Auslandsbezugs gefordert (s. u. S. 30). Einen Kohlenzoll hat man zwar,
soweit ich sehe, noch nicht aufs Tapet gebracht. Aber man räsoniert viel
über »überflüssige« Kohleneinfuhr; und die Eisenbahntarife von den Zechen-
bezirken nach den Küstengebieten sind ja, zwecks wirksamerer Konkurrenz
mit britischer Kohle, erheblich ermäßigt worden.
Was daheim erzeugt werden kann an Materialien, soll daheim erzeugt
werden; der Industrie soll eine breitere »Rohstoffgrundlage« im Inland ge-
sichert werden.