Full text: Denkschrift über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Reichsregierung

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Arbeitsmarktes sind bei diesem Verfahren dadurch ge— 
sichert, daß der Generalagent die Zahlungen nur für 
solche Verträge leisten darf, die bestimmten Bedingun— 
gen entsprechen. Die wichtigste dieser Bedingungen ist, 
daß die gelieferten Waren vollkommen aus der deut— 
schen Wirtschaft stammen müssen (soweit sie in erheb— 
lichem Prozentsatz ausländische Rohstoffe enthalten, 
muß ein entsprechender Teil des Preises in Devisen be— 
zahlt werden)! 
Inzwischen hat die Reichsregierung mit dem 
Generalagenten das bekannte Abkommen über den so— 
genannten kleinen Besserungsschein geschlossen; danach 
sind die zusätzlichen Reparationszahluugen aus dem 
Reichshaushalt in Höhe von 300 Millionen AR aus⸗ 
schließlich für den Bezug von Sachlieferungen zu ver— 
wenden. Infolge dieser Vereinbarung ist mit einer 
gewissen Steigerung des Sachlieferungsverkehrs und so— 
mit mit einer Mehrbeschäftigung der deutschen Liefer— 
firmen im Reparationsjahr 192627 zu rechnen. 
Dem Abschluß langfristiger Reparations— 
verträge, den die Entschließung des Reichstags befür— 
wortet, stehen raparationspolitische Erwägungen ent— 
gegen. Die Reparationsleistungen müssen nämlich in 
bar oder jedenfalls kurzfristig aqus den Markguthaben 
bezahlt werden, die den alliierten Staaten beim 
Generalagenten zur Verfügung stehen; bei einer 
anderen Art der Zahlung müßte für die vorschußweise 
exfolgenden Reparationsleistungen der in- und aus— 
ländische Kreditmarkt zu Lasten der deutschen Wirt— 
schaft in Anspruch genommen werden. 
v. 
Finanzierung des Arbeitsbeschaffungs⸗ 
programms 
Einiger Worte bedarf noch die finanzielle Seite des 
Arbeitsbeschaffunggprogramms. Hier muß zunächst 
daran erinnert werden, daß die Maßnahmen der Reichs— 
regierung nach den vorstehenden Darlegungen fast 
sämtlich so geartet sind, daß sie nicht nur die Mittel, 
die das Reich selbst zur Verfügung stellt, sondern 
darüber hinaus noch erhebliche weitere Mittel in Be— 
wegung setzen. Die Durchführung des Programms 
zieht einmal die Bereitstellung von Geldmitteln auch 
durch die Reichsbahn und die Reichspost nach sich, sie 
hat ferner bei den Wasserstraßenbauten, beim Woh— 
nungsbau und bei den Maßnahmen der engeren pro— 
duktiven Erwerbslosenfürsorge auch Aufwendungen der 
Länder und Gemeindeverbände zur Folge: sie führt 
endlich bei einigen Teilen des Programms, vor allem 
beim Wohnungsbau, dazu, daß auch die Wirkschaft 
selbst Geldmittel für produktive Arbeiten zur Ver— 
fügung stellt. Außer diesen unmittelbaren Wirkungen 
erhofft die Reichsregierung von der allgemeinen Be— 
lebung der Wirtschaft, die ihre Maßnahmen bezwecken, 
auch eine Wiederbelebung des wirtschaftlichen Ver— 
trauens und damit eine größere Bereitwilligkeit, freie 
Kapitalien den Produktionsgewerben zuzufuühren und 
so in Arbeit umzusetzen. 
Im Zusammenhang mit den Bewegungen, welche 
die Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms 
auf dem Geldmarkt hervorruft, steht die Anregung in 
der Entschließung des Reichstages, »die Reichsregierung 
möge prüfen, inwieweit der Andrang von tkäglichem 
zeld, das zum Teil zu reinen Spekulationszwecken im 
In⸗ und Ausland verwendet wird, der produktiwen 
Virtschaft Deutschlands zugeführt werden kann«. Es 
st in der Tat zutreffend, daß in diesem Jahre eine 
zroße Flüssigkeit in kurzfristigem Gelde zu beobachten 
var. Sie ist in diesem Sommer noch dadurch verstärkt 
vorden, daß die in großem Umfange hereingeströmten 
Auslandskapitalien aus technischen Gründen vielfach 
richt sogleich den Zwecken zugeführt werden konnten, zu 
denen sie aufgenommen waren; sie mußten daher auf 
»em Geldmarkte kurzfristige Anlage suchen. Diese 
veldflüssigkeit muß aber in erheblichem Ausmaße als 
ine regelmäßige Begleiterscheinung jeder wirtschaft— 
ichen Depression betrachtet werden. Es kommt darin 
ie Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung zum 
Ausdruck; die Geldgeber scheuen sich, ihr Kapital vor 
iner Klaͤrung der Wirtschaftslage auf längere Zeit in 
ieser oder jener Unternehmung festzulegen. Das 
zroße Angebot an kurzfristigem Gelde während wirt 
chaftlicher Depressionen kann daher keineswegs ledig— 
ich als ungesunde Erscheinung gewertet werden. Viel— 
nehr ermöglicht dieses Aberangebot erst eine stärkere 
dapitalbildung, die eine der wichtigsten Voraus— 
etzungen zur Üirwindung der Krise ist. 
Die Maßnahmen der Reichsregierung tragen wie 
»ben gezeigt, in wesentlichem Maße dazu bei, das 
inlagesuchende Geld für produktive wirtschaftliche Ver— 
vendung und damit für den Arbeitsmarkt nutzbar zu 
nachen. Bei einer solchen Einwirkung auf dem Geld— 
narkt darf aber eine Wirtschafts⸗ und Finauzpolitik, die 
hrer Verantwortung bewußt ist, gewisse Grenzen nicht 
iberschreiten, da erfahrungsgemäß bei einem Anziehen 
der Konjunktur ein starker Kapitalbedarf der Wirt 
chaft eintritt. Die Befriedigung dieses Bedarfs darf 
richt dadurch unmöglich gemacht oder erschwert werden, 
aß die Gelder vorzeitig und in zu weitgehendem Maße 
angfristig festgelegt werden. 
Die Mittel, die das Reich selbst für die Finanzierung 
er Arbeitsbeschaffunggsmaßnahmen aufwenden muß, 
elaufen sich bereits für das Haushaltsjahr 1926 ins— 
jesamt auf rund 630 Millionen M.“. Die Auf— 
vendungen, die bisher entstanden sind, konnten bis jetzt 
roch ohne Inanspruchnahme des Anleihemarktes flüssig 
gsemacht werden. Es ist aber damit zu rechnen, daß 
u einem jetzt noch nicht bestimmt anzugebenden Zeit 
unkt der Anleihemarkt in Anspruch genommen werden 
muß. Auch aus diesem Grunde wäre es bedenklich, den 
Kapitalmarkt allzusehr zu verknappen. 
Wirkung auf den Arbeitsmarkt 
Es ist noch die Frage zu erörtern, die für die Be— 
rteilung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ent— 
cheidend sein muß, die Frage nämlich, welche Wirkung 
ie auf dem Arbeitsmarkt ausgeübt haben. Die Zahl 
der unterstützten Erwerbslosen (Hauptunterstützungs— 
mpfänger) ist, wie einleitend bereits gesagt ist, in der 
Zeit vom J1. Juli bis November ganz erheblich zurück— 
gegangen. Sie betrug 
am Juli 8 
* .Nugust 19908 
» September 238 
ctober 0298 
»INovember 102088
	        
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