Full text: Denkschrift über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Reichsregierung

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der deutschen Wirtschaft taͤtig sind und aus Ländern 
tammen, in denen eine entsprechende Anzahl deutscher 
Arheiter ihren Erwerb finden Anders liegen die Diuge 
n der Landwirtschaft, die bis vor kurzem noch etwa 
130 900 ausländische Arbeiter — in der Hauptsache 
ür landwirtschaftliche Saisonarbeiten — beschäftigte. 
Diese Zahl bedeutet zwar gegenüber dem Umfang der 
Beschäftigung ausländischer Landarbeilker vor dem 
Kriege schon einen erheblichen Rückgang, denn damals 
zeschäftigte die deutsche Landwirtschaft im jetzigen 
Reichsgebiet Jahr für Jahr etwa 400 000 aͤusländische 
Arbeiter. Die jetzige wirtschaftliche Lage Deutschlands 
wingt aber zu den ernstesten Bemühungen, auch noch 
diesen Rest der ausländischen Landacbeiter durch 
deutsche Arbeitskräfte zu ersehen. Diese Bemühungen 
gehen bekanntlich bis in die Zeit unmittelbar nach Eude 
des Krieges zurück, sie haben ergeben, daß eine der 
wichtigsten, auch auf die Dauer wirksamen Maßnahmen 
zur Ablösung der ausländischen Arbeitskräfte der Bau 
gesunder Wohnungen auf dem Lande ist, Wohnungen, 
die den berechtigten Ansprüchen des deutschen Laͤnd 
arbeiters genügen. Es lag daher nahe, bei Gelegen⸗ 
heit des Arbeitsbeschaffimgsprogramms auch die für 
diesen Zweck verfügbaren Mittel zu verstaͤrken B— 
dahin war der Bau von Landarbeiterwohnungen aus 
Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge ge 
sordert worden mit dem Ergebnis, daß mit diefen Be— 
hilfen in den Jahren 1920 bis Ende 1925 insgesamt 
rund 30 000 Landarbeiterwohnungen —teils Werk 
vwohnungen, teils Eigenheime — erstellt wurden Jetzt 
beschloß die Reichsregierung, im Rahmen der produt 
iven Exwerbslosenfürsorge einen besonderen Jonds bon 
30 Millionen A bexeitzustellen, der zur Exrichtung 
oon Landarbeiterwohnungen bei den Betrieben u 
wendet werden sollte, die ausländische Arbetter nicht 
nur als Saisonarbeiter, sondern auch den Winter hin⸗ 
durch beschäftigen. Bei diesen Arbeitskräften, die be 
reits an die Stelle ständiger deutscher Arbelter getreten 
sind, muß nämlich naturgemäß der Abbau derB 
schäftigung ausländischer Arbeiter zuerst einsetzen. Die 
30 Millionen sollten nach den Beschlilssen des Kabinells 
nur unter der Bedingung zur Verfügung gestellt 
werden, daß die Länder, in deren Gebiel die Woh⸗ 
rungen erstellt werden, aus eigenen Mitteln Auf 
vendungen in gleicher Höhe machten. Das Ziel der 
dktion war, — unter Zuhilfenahme wenerer Reichs⸗ 
nd Landesmittel — in den naͤchsten dre Jahren etwa 
19000 Wohnungen jährlich zu erftellen Bamn sollte 
Jeichzeitig die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb 
dieses Zeitraumes eine eutfprechende Anzahl aus⸗ 
ländischer Landarbeiter durch einheimische Arbeite— 
kräfte zu ersetzen und nach ihrer Heimat zuruck 
zuleiten. Diese Rückführung setzte allerdings eine Ver⸗ 
ständigung mit der polnischen Regierung wegen der 
Abernahme der diesem Staate angehörigen Atbeler 
ooraus, eine Frage, über die Verhandlungen zwischen 
den beiden Regierungen bereits seit laͤngerer Zeu 
schwebten. 
ffentliche Notstandsarbeiten 
Bei allen diesen Maßnahmen handelt es sich nicht 
um sogenannte Notstandsarbeiten. Ihr Zweck i nicht 
die unmittelbare Beschäftigung Erwerbsloser, sondern 
zunächst Verstärkung und Belebung der wulschaft 
chen Tätigkeit überhaupt und erst mittelbar Ent— 
aistung des Arbeitsmaͤrktes. Daneben mußte in dem 
wogramm der Regierung natürlich auch die produt 
ive Erwerbslosenfuürsorge im engeren Sinne beruck— 
ichtigt werden; die Mittel für die öffentlichen Rot 
andsarbeiten und andere Maßnahmen, die unmittel 
ar der Beschäftigung bisher unterstüützter Ewerbs— 
oser dienen, mußten verstaͤrkt werden. Das Kaͤbinelt 
eschloß demgemäß, die Haushaltsmittel des Reiches 
ir die produktive Erwerbslosenfürsorge um 100 00 
onen .“, d. h. auf den doppelten Betrag, zu er⸗ 
öhen; dabei mußte mit der Notwendigkeit gerechnet 
derden, diese Mehrbewilligung auf dein Wege der 
nleihe aufzubringen. Der Haushaltsausschuß des 
deichstags hat dieser Erhöhung in seiner Simg am 
Juli 1926 zugestimmt. 
Die neu bewilligten 100 Millivnen . durften 
aher nur für solche Notstandsarbeiten Verwendung 
inden, die unbestritten produktiv im volkswirtschaft 
ichen Sinne sind und nach Moöglichkeit in kurser Zeit 
uch eine Rente abwerfen (werbende Anlagen). Ge— 
acht wurde dabei vor allem an die Förderung don 
Neliorationen, Flußregulierungen, Wasserkraftan 
agen, Talsperren, Kanalisationsanlagen, Straßen 
auten und dergleichen, Arbeiten, die auch bisher den 
ʒauptanteil an den bffentlichen Rotstandsarbeiten aus 
zachten. Um die Wirkungsmöglichkeit der zur Ver⸗ 
igung stehenden Mittel zu erhoͤhen, wurde angeregt, 
e in geeigneten Fällen den Traͤgern der Notstandst 
irbeiten nicht in Form von Zuschussen oder Darlehen 
ur Deckung der Kapitalaufwendungen zuzuführen, 
ondern anstatt dessen Zuschüsse zu der Verzinsung von 
lnleihen zu gewähren, welche die Träger selbst auf 
em freien Geldmarkt aufzunehmen hatten. Diefer 
Veg empfahl sich vor allem für die Förderung des 
traßenbaues, der überhaupt mit Rucksicht auf die 
otwendigkeit, das deutsche Straßennetz mehr 
isher den neuzeitlichen Verkehrsbedürfnissen anzu⸗ 
assen, ganz besondere Förderung erfahren sollte. 
Dies ist in großen Zügen das Programm, das der 
eichsarbeitsminister dem Reichstag als Beschluß de 
deichsregierung am 28. Juni 1926 mitteilen konnte 
reilich ist es seitdem in einzelnen Punkten noch ergangt 
dorden, u. a. durch den bekannten Beschluß des 
dahinetts, daß das Reich sich an der Aufbringung der 
Nittel für den Bau fester Rheinbrücken bei Mann 
eim Ludwigshafen, Speyer und Maxau beteiligen 
derde. 
Reichswirtschaftsrat 
Zu diesem Programm hat bald nach Bekanntgabe 
er grundsätzlichen Beschlüsse der Reichsregierung auch 
er Vorläufige Reichswirtschaftsrat Stellung genom 
nen. Die Frage der Arbeilsbeschaffung war dort 
uerst in dem Arbeitsausschuß für die Arbeitslosenver 
cherung zur Sprache gekommen und hatte zur u 
timmigen Annahme einer Entschließung Cohen ge 
ührt, welche die Notwendigkeit betonte, Arbeitsgelegen 
eit für die Erwerbslosen auch außerhalb de eigent 
ichen Notstandsarbeiten zu schaffen. Diese Entschlie 
ung gab dann Anlaß zu einer grundsätzlichen Aus 
prache der Vereinigten wirtschaftspoluschen und 
nanzpolitischen Ausschüsse des Reichswirtschaftsrats 
her das Arbeitsbeschaffungsprogramnm de Reichs 
egierung am 1. Inli o desen KSr—
	        
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