Full text: Denkschrift über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Reichsregierung

gen, die am 20, 27. und 28.Juli in einem Arbeits⸗ 
usschuß fortgefüͤhrt wurden, gaben Vertreter der ein— 
zelnen Refsorts eingehenden Aufschluß über die geplan— 
sen Arbeilen und ihre Kosten. Der Arbeitsausschuß 
beschäfligte sich auf Grund dieser Bexichte vor allem 
nit der Frage der volkswirtschaftlichen und finanz 
politischen Berechtigung des Abbeitsbeschaffungs— 
orogramms 
Dies ist dieselbe Frage, die — in grundsätzlicher Zu 
pitzung — der bekannte schwedische Nationalökonom 
Professor Casssel und auch namhafte deutsche Sach— 
verständige und Politiker des öfteren aufgeworfen haben: 
ob es vom volkswirtschaftlichen Standpunkt gerecht⸗ 
tertigt sei, daß die oöffentliche Hand zum Zweck der 
Arbeitsbeschaffung besondere Mittel bereitstellt, Mittel, 
die ja leßten Endes der Wirtschaft entzogen würden 
und somit an anderer Stelle doch wieder Arbeits— 
losigkeit hervorriefen. Der Bericht des Arbeitsaus— 
schusses vom 13. August 1926 ist auf Veranlassung 
der Reichsregierung seinerzeit auch den Mitgliedern 
des volkswirtschaftlichen Ausschusses des Reichstags 
zugestellt worden. Er kommt zu dem Eudergebnis, daß 
die Aufwend ngen für das Arbeitsbeschaffungs— 
programm in dem von der Regierung vorgesehenen 
Rahmen auch unter finanzpolitischen und wirtschafts— 
politischen Gesichtspunkten vertretbar seien. 
Mimisterialkommission für Arbeits— 
beschaffung 
Um die beschleunigte Durchführung der beschlossenen 
Arbeiten zu sichern und Verzögerungen durch lang 
wierige schriftliche Verhandlungen zwischen den be— 
keiligten Ressorts auszuschließen, hat die Reichs— 
regierung einen besonderen interministeriellen Aus— 
schuß gebildet, die sogenannte Ministerialkommission 
ür Arbeitsbeschaffung. Ihre Aufgabe war, die 
Arbeiten mit möglichster Beschleunigung in Gang zu 
bringen, über ihren Fortgang zu wachen und dem Ge— 
danken der Arbeitsbeschaffung bei der Ausführung in 
vollem Umfang Rechnung zu tragen. Der Vorsitz 
dieser Kommission wurde dem zuständigen Abteilungs 
dirigenten im Reichsarbeitsministerinm, Geheimen 
Regierungsrat Dr. Weigert, übertragen. Die Kom— 
nission befaßte sich in einer ihrer ersten Sitzungen mit 
der Frage, wie die sozialpolitische Auswirkung der 
heschlossenen Arbeiten am zweckmäßigsten gesichert 
verden könne. Im Einvernehmen aller beteiligten 
Ressorts wurde beschlossen, die Vergebung aller 
Arbeiten und Aufträge, die im Rahmen des Arbeits— 
beschaffungsprograͤmms zur Ausführung kämen, an 
zwei Bedingungen zu knüpfen. Einmal, daß diese 
Arbeiten und Aufträge nicht mit der vorhaändenen 
Belegschaft im Wege von Überstunden erledigt werden 
dürften und ferner, daß benötigte neue Arbeitskräfte 
bon den öffentlichen Arbeitsnachweisen anzufordern 
seien Soweit die Arbeiten oder Aufträge Unter— 
iehmern übertragen wurden, sollte diesen bei der Ver— 
gebung eine Auflage dieses Inhalts gemacht werden 
Hleichseitig setzte die Mimsterialkommission einen 
Unterausschuß ein, dem die Aufgabe Ubertragen wurde, 
nit den hauptsächlich beteiligten Ressorts das Ver— 
fahren ur Durchführung dieser Bedinaungen im 
mzelnen festzulegen. Dieser Unterausschuß sollte auch 
ie Frage einer zweckmäßigen örtlichen und zeitlichen 
Verteilung der Arbeiten nach den Gesichtspunkten des 
Arbeitsmarktes und ferner die Möglichkeit einer zahlen⸗ 
näßigen Erfassung der Wirkung des Programms auf 
en Arbeitsmarkt prüfen. 
Die Anweisungen, welche die Beschaffungsressorts, 
ie Reichsbahn und die Reichspost an ihre örtlichen 
SZtellen über die erwaähnten sozialpolitischen Bedin— 
ungen erlassen haben, ergeben sich aus der Anlage 2. 
Die Ministerialkommission hat auf Grund einzelner 
dAagen und Beschwerden, die bei den Ressorts und in 
er Presse erhoben wurden, immer wieder auf die Ver— 
flichtung hingewiesen, diese Bedingungen strikt ein⸗ 
halten Eine wiederholte Einwirkung erwies sich vor 
Iem in der Frage der Überstunden als nötig, hierbei 
urde auch Klage darüber geführt, daß manche Be— 
haffungsstellen sehr kurze Lieferfristen vorschreiben 
nd dadurch die Betriebe zu Überstunden veranlaßten 
eine Frage, die auch im Reichstag wiederholt Gegen⸗ 
and der Exörterung gewesen ist. Das Reichsarbeits— 
ninisterium und der Präsident der Reichsarbeitsver⸗ 
haltung haben in einer Reihe von Rundschreiben an 
ie beteiliglen Ressorts des Reichs und der Länder die 
Rotwendigkeit betont, durch entsprechende Abmachun— 
jen bei der Vergebung der Liefexungen und durch eine 
ingemessene Handhabung der Ausnahmemöglichkeiten 
er Arbeitszeilverordnung der Überarbeit bei den Auf⸗ 
rägen des Arbeitsbeschaffungsprogramms nachdrück⸗ 
ich entgegenzuwirken, einer dieser Erlasse behandelt 
peziell die Frage der kurzen Lieferfristen. Abdrucke 
ieser Rundschreiben sind in der Anlage beigefügt. 
Was die zeitliche Verteilung der Arbeiten angeht, so 
durde die Notwendigkeit anerkannt, einen gewissen 
deil der Aufträge für die Wintermonate zurück— 
ustellen, in denen bekanntlich infolge der Einstellung 
er Außenarbeiten stets ein empfindlicher Rückschlag 
vuf dem Arbeitsmarkt eintritt; diese Erkenntnis setzte 
ich vor allem bei der Verteilung der Reichsbahnauf⸗ 
räge durch. Die Reichsregierung hat übrigens schon 
nmer eine zweckmäßige Verteilung der öffentlichen 
lufträge, vor allem auch auf dem Baumarkt, auf die 
erschiedenen Zeiten des Jahres — die bekanntlich auch 
m Auslande als ein besonders wirksames Mittel zur 
Zekämpfung der Arbeilslosigkeit gilt — durch ständig 
hiederholte Anregüngen au die Stellen, die Aufträge 
ergeben, zu fördern gesucht. Auch jetzt hat das Reichs⸗ 
rbeitsministerium wieder auf die Gesichlspunkte, die 
abei zu beachten sind, hingewiesen (vgl die Anlage 9). 
Die Durchführung der weiteren Forderung, die Auf— 
räge möglichst den Bezirken zukommen zu lassen, in 
enen die Arbeitsmarktlage besonders ungünstig war, 
jeß auf große Schwierigkeiten, die hier nur angeden 
et werden können; es sei nur davauf hingewiesen, daß 
ie Mbeitsgelegenheiten, die als wirtschaftlich produf⸗ 
iv gellen Bnuen, sich natürlich nicht immer gerade 
n den Bezirken der größten Arbeilslosigkeit finden 
ran denke z.Baan die Reststrecke des Mittellandkanals 
on Peine bis Magdeburg Ahnlich liegen die Dinge bei 
en Lieferungen; auch hier decken sich die Betriebe, 
helche die benbtigten Gegenstande herstellen können, 
ines wegs immer mit denen, die besonders unter Be— 
häfligungsmangel leiden. Die Ministexialkommission 
at sich trotz dieser in der Sache liegenden Schwierig 
Iiten mit allem Nichdruck bemuhl, die Gesichtspunkte 
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