Full text: Strukturwandlungen der Weltwirtschaft

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Bernhard Harms 
Rohölgewinnung kann also gegen 1913 auf etwa 80 Millionen t Kohle- 
äquivalente geschätzt werden. 
Eine andere Ursache der Kohlenkrisis liegt in dem Ausbau der 
Wasserkräfte. Gegenüber 1913 hat schätzungsweise eine Verdoppelung 
der nutzbar gemachten Wasserkräfte stattgefunden. Eine vorsichtige 
Schätzung für 1925 kommt auf mindestens 60 Milliarden Kilowatt- 
stunden durch Wasser erzeugte Energie, was 60 Millionen t Kohle ent- 
spricht. Das aus der Vermehrung der Wasserkraftanlagen gewonnene 
Energieplus beträgt somit rund 30 Millionen t Kohle. 
Dazu kommt drittens, daß die Fortschritte der Wärmetechnik 
eine bessere Ausnutzung der Kohle ermöglichen. Die Brennstoffaus- 
nutzung in den amerikanischen öffentlichen Elektrizitätswerken ist von 
1919 bis 1924 um rund 25 %, erhöht worden. Das gleiche Verhältnis 
hat in den andern Ländern nicht erzielt werden können, doch wird 
insgesamt wohl mit einer Ersparnis von 5—10 %, zu rechnen sein, 
was einen Ersparniseffekt von 60—120 Millionen t ergibt. 
Welche Bedeutung die hier genannten Faktoren für die Kohlen- 
produktion haben, mag dadurch illustriert werden, daß etwa die Hälfte 
des Rückgangs der englischen Kohlenausfuhr (1913 bis 1925: 25 Millionen t) 
auf sie zurückgeführt werden kann. 
Ist somit an sich nicht damit zu rechnen, daß die Kohlenkrisis durch 
einen etwaigen allgemeinen Konjunkturumschwung behoben wird, so 
bahnt sich anderseits doch vielleicht schon eine Entwicklung an, die der 
Kohle ihre frühere dominierende Stellung wiedergeben könnte. Wenn 
es nämlich gelingt, die technisch schon geglückte Verflüssigung von 
Kohle wirtschaftlich nutzbar zu machen — ein Ziel, an dessen Verwirk- 
lichung in Deutschland mit der größten Energie gearbeitet wird (von einem 
Konzern, der sich kapitalistischen Geist gleichfalls erhalten hat) —, so 
würde sich damit die bedeutendste Strukturwandlung in der Weltwirt- 
schaft vollziehen, die diese bisher überhaupt gesehen hat, denn die 
Kohleländer könnten auf die Einfuhr von Mineralöl verzichten und diesem 
möglicherweise auch auf dem Weltmarkt Konkurrenz machen. Der 
Kohlestandort erhielte seine alte Bedeutung zurück. Es ist begreiflich, 
daß die Ölinteressenten der Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten 
von Amerika, diesem Prozeß nervöse Aufmerksamkeit widmen. Analoge 
Fälle, aus denen sich auf die zu erwartende Folgewirkung schließen 1äßt, 
gibt es zur Genüge. Erinnert sei an die verheerenden Begleiterscheinungen 
der Erfindung des künstlichen Indigos für die Indigowirtschaft in der 
Präsidentschaft Madras.... 
Bedeutsame Strukturwandlungen haben sich auch in der Eisen- 
industrie vollzogen. Die besonderen Verhältnisse in Westeuropa darf 
ich hier als bekannt voraussetzen, desgleichen die allgemeinen raumwirt-
	        
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