Full text: Hundert Jahre schlesischer Agrargeschichte

Die Wirkung des Müller-Arnold-Prozeffes auf Schlefien. 203 
Sommer dazu verbflicdhtet gewejen wären und auch da noch gewifje Ver- 
günftigungen genofjen hätten; der früher üblidhe Botenlohn von 2 Kreuzern 
auf die Meile mürde ihnen neuerdings vorenthalten. Die Zahl der Arbeits- 
tage der Häusler war von 7, wie das Urbar vorfchrieb, auf 14 erhöht morden; 
früher hatten fie gegen freie Kojt an einem Tage die Schafe baden mifjen, 
dazu aber nur einen Tag gebraucht, jekt gingen bei der fehr viel größer ge- 
wordenen Herde 2—3 Tage auf diefe Arbeit, die aber nach mie vor mit freier 
Koft an einem einzigen Tage gelohnt wurde. Für die Waldnugung zu Vieh- 
futter und Laubdlnger entrichteten die Häusler feit altersher 3 Zinshlihner; 
die Nugung war ihnen neuerdings unterfagt morden, der Zins wurde weiter 
erF oben, uff. Bei diejem Verfahren gerieten etlidhe Untertanen in wirtjhaft- 
lichen Verfall, andere liegen ihren Belig im Stidh und flücdhteten [Harenweife 
über die Sfterreichijhe Orenze; {AhließlihH kam e8 zur offenen Auf- 
(ehnung?). 
As nun gar noch gegen Ende des Jahres 1779 aus dem von [Hlefifchem 
Gebiet umkflammerten Züllihauer Kreifje die Kunde vom Ausgang des 
Müller-Arnold-Prozeffes durch die Lande flog, als e8 hieß, der König habe 
dem Meinen Manne gegen feinen Grundherrn und feinen Landrat zum Recht 
verholfen und die parteiifchen Richter abgefegt und eingefperrt, griff die VBe- 
wegung rafh um fich?). Die Zahl der Bauernprozeffe vor den Lberamt8- 
regierungen, die in den lebten Jahren gewaltig zugenommen Hatte, {mol 
unheimlidh an; im Auguft 1780 prozeffierten im Neuftädter Kreije nicht 
weniger al8 60 Gemeinden mit ihren Gutsherren, weil die von ihnen ge- 
forderten Dienfte über ihre Leiftungsfähigfeit Hinausgingen. Zur Erntezeit 
verweigerten im Lömenberg-Bunzlauer und Goldberg-Hainauer Kreife einige 
Dörfer die Arbeit. In Nordjchlefien ftritten im Frühjahr die meiften Ge- 
meinden des Grünberger Kreijes und 34 Dörfer des Freiftädter Kreifes, allo 
der dem Züllihauer Kreife benachbarten Gebiete, mit ihren Sutsherren um 
die [Huldigaen Dienfte. Wie 1766 in Polnijh-Cchlefien, fo hieß es jet in 
ganz Nordjchlefien, daß nur die im Katafter verzeichneten Dienjte und nur 
in dem dort angegebenen Umfange in Zukunft geleiftet zu werden brauchten; 
das Gerücht ging, das immer wieder auftauchen [ollte, der König wolle die 
Kronden und Abgaben des Landvolkz mildern. m April, zur Saatzeit, und 
im Sauli und Auguft, zur Erntezeit, am e8 im Grünberger, SGloaauer und 
Wohlauer Kreife zu Streilzs und Zumulten. 
1) Acta betreff. die megen der harten Behandlung der Untertanen zu Dirfghel 
von dem Grafen von Geßler verurfachte Entweidhung derfelben nad dem Sfiter- 
reicdhi{dhen. Rep. 199. MR. V, 48 b. 2?) über [Alefiflhe Bauernprozeffe f. Stölzel, 
Brandenburg - Preukens Rechtsvermaltung u. Rechtsverfafjung, Bd. II, S. 219/20, 
259, 290.
	        
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