Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

102 . . 4. Abschnitt. IL. 
wissen sozialen Klassen den‘ Sinn der Solidarität geweckt und sie zum 
Zusammenschluß in internationale Organisationen veranlaßt. Die inter- 
nationale Annäherung in der Schwerindustrie des. kontinentalen Euro- 
pas wird als wichtiger Schritt in dieser Richtung betrachtet werden 
können, wenn man an die Rolle denkt, die die Schwerindustrie im Welt- 
kriege spielte. Auch ‚der Zusammenschluß anderer Produzenten in 
Kartelle, der Arbeiter in internationale Organisationen und der Land- 
wirte in Genossenschaften entstammen dem gesteigerten Solidaritäts- 
bewußtsein. Wo es aber auf eine Verständigung zwischen Regierun- 
gen und Staaten ankommt, dort ist der Weg für ein solidarisches Vor- 
gehen noch vielfach ungangbar. Die Konferenz trägt zum Verständnis 
und auch zur Entschuldigung dieser Lage bei, indem sie zugibt, daß 
„die Möglichkeit, Europa als wirtschaftliche Einheit zu begreifen, heute 
schwerer ist, als vor dem Kriege, teils, wegen des übertriebenen Natio- 
nalismus, der eine natürliche Folge des Krieges ist und erst jetzt ab- 
nimmt und teils wegen der wirtschaftlichen Folgen der neuen Grenz- 
ziehungen. Dieser Nationalismus und diese territorialen Umgestaltun- 
gen haben zu einer unzweckmäßigen Vermehrung von Industrieanlagen 
und zu ungenügender Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen 
Staaten Europas geführt. Der normale Verlauf des Güteraustausches 
zwischen den zahlreichen Gebilden, die das neue Europa darstellen, 
ist ernstlich unterbrochen. Gewisse Gebiete Europas haben ihren Vor- 
kriegsmarkt verloren, und überall mußte man neue Absatzgebiete 
suchen !).“ An diese markante Beschreibung der Lage schließt sich eine 
noch schärfere Verürteilung‘ der üblichen Praxis an: „Die nach dem 
Kriege unternommenen Versuche, durch eine Politik der Abschlie- 
Bung zum Wohlstande zu gelangen, müssen nach der Erfahrung von 
nahezu neun Jahren als gescheitert angesehen werden. Die öffentliche 
Meinung der Welt fängt an zu begreifen, daß Wohlstand kein Ding sei, 
das man für sich einkapseln könne 2).“ 
„Daher verfehlt jede streng nationalistische Politik ihr Ziel und ist 
schädlich nicht nur für das eigene Volk, sondern auch für die Gesamt- 
heit der übrigen Länder. Will man, daß der neue Geist, der bei den Er- 
Örterungen der Konferenz zutage getreten ist, künftig positive Ergeb- 
nisse zeitige, so muß der Grundsatz parallelen und gemeinsamen Han- 
delns der verschiedenen Länder als wesentlicher Faktor jedes Pro- 
gramms angesehen werden. Jedes Volk wird dann wissen, daß die Zu- 
geständnisse, die von ihm Verlangt werden, in ähnlichen Opfern der 
übrigen ihre Gegenleistung finden. Es kann den vorgeschlagenen. Maß- 
nahmen zustimmen, ‚und zwar nicht nur im Hinblick auf seine eigene 
Stellung, sondern weil es ein Interesse daran hat, daß der von der 
Konferenz entworfene Plan in seiner Gesamtheit zustande kommt 3.“ 
1) Ebenda 5.18. 
2) Ebenda S.7. 
3) Abschnitt: Handel; Einleitung,
	        
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