Das mitteleuropäische Wirtschaftsproblem vor der Weltwirtschaftskonferenz, 135
Auch Italien hat ansehnliche Teile der ehemaligen Monarchie mit
den Häfen Triest und Fiume erhalten, die sein mitteleuropäisches In-
teresse heute wichtiger erscheinen lassen, als es in der Vorkriegszeit
der Fall war. Daher seine Bemühungen, eine mitteleuropäische Ver-
ständigung anzubahnen, die wiederholten Konferenzen der Nachfolge-
staaten in Rom, die Einberufung der Konferenz von Portorose, die Lei-
tung der Konferenz von Genua, die alle in einem von Italien aus:
gehenden versöhnlichen Geiste die wirtschaftliche Annäherung der
Nachfolgestaaten anstrebten.
Die Wiederangliederung Italiens an das mitteleuropäische Wirt-
schaftsgebiet wäre eine Bereicherung der mitteleuropäischen Wirt-
schaft nicht nur in materieller, sondern. auch in moralischer Hinsicht,
weil die erhöhte internationale Machtstellung dieses Landes die wirt-
schaftliche Verständigung und den wirtschaftlichen Frieden zwischen
den Gliedstaaten der ehemaligen Monarchie fördern und gewährleisten
könnte. Die Stellung Italiens in der Reihe der österreichisch-ungari-
schen Nachfolgestaaten ist aber eine so überlegene, daß Italien in eine
Kombination der wirtschaftlich annähernd auf gleicher Stufe stehenden
übrigen Nachfolgestaaten nicht hineinpaßt.
Auch würde die Einbeziehung der westlichen Randgebiete Rußlands
kaum einen erwünschten Zuwachs bedeuten. Die Randstaten: Est-
land, Lettland und Litauen sind zwar längst dem mitteleuropäischen
Kulturkreis angegliedert, als dessen Kolonialgebiet sie bereits seit dem
frühen Mittelalter anzusehen waren; wirtschaftlich aber sind sie zum
Teil auch mit Rußland verwachsen. Das wirtschaftliche Einheitsmo-
ment, das den Ländern des Donaubeckens ihr mächtiger Strom gibt,
fehlt ihnen.
Bleibt aber Mitteleuropa auf das im Herzen Europas gelegene Gebiet
Deutschlands und der Nachfolgestaaten der. österreichisch-ungarischen
Monarchie beschränkt, so weist es dem früheren Mitteleuropa gegen-
über an. Ausdehnung noch immer eine Vergrößerung um rund 500.000
Quadratkilometer von 1.2 auf mehr als 1,7 Millionen auf, während sich
die Zahl seiner Einwohner von 116.3 auf 150,37 Millionen erhöhte,
Das Flächenmaß und die Bevölkerung des heutigen Mitteleuropa
(Ende 1926) nach einzelnen Staaten gegliedert, zeigt folgende Tabelle:
Deutschland. ........
Polen ........0..0.0004
Rumänien ..........
S.H.S. Königreich. .. .
Tschechoslowakei....
Ungarn ...........,.
Österreich ..........
Quadratkilometer Einwohnerzahl
469.444 62.539.098
388.279 28.881.000
294.967 17.500.000
248.987 12.017.000
140.394 14.356.000
93,010 8.454 499
83.904 6.621.293
1.718.986 150.369.890