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daß der verzweifelte Wettbewerb der Völker, wobei das eine Volk da-
rauf rechnet, daß der Atem des anderen früher ausgeht, nur zu weiteren
und noch schwereren Erschütterungen führt, und daß es für die Ent-
wirrung nur einen einzigen Weg gibt: die Erkenntnis und die Pflege
der wirtschaftlichen Solidarität.
ıDer Völkerbund bot aber nicht nur ein Programm der Konierenz, er
sorgte auch für die Vorbedingungen der erfolgreichen Durchführung,
indem er den Konferenzmitgliedern das zur Vertiefung in die Probleme
unerläßliche Tatsachen- und statistische Material ebenfalls zur Ver-
fügung stellte. Das erste Heft, das eigens für die Zwecke der Weltwirt-
schaftskonferenz fertiggestellt wurde, befaßte sich mit der Produktion
und dem Handel der Welt 2).
Die Erkenntnis der weltwirtschaftlichen Lage und die Aufdeckung
‚.hrer Ursachen waren die nächstliegenden Ziele der Konferenz.
{I. Das Bild der weltwirtschaftlichen Lage.
Die Konsolidierung der weltwirtschaftlichen Verhältnisse erheischt
vor allem eine gründliche Diagnose der Weltwirtschaftslage. Eine rich-
tige Diagnose ist schon der Anfang des Heilverfahrens, zumindest aber
der Wegweiser zum Gesundungsprozeß. Durch die strukturellen Ver-
änderungen in der Weltwirtschaft ist das vorhandene statistische Ma-
terlal veraltet und unbrauchbar geworden. Die Wirtschafts- und Fi-
nanzsektion des Völkerbundes hat die Lage richtig erkannt, indem sie
aus dem Vorbereitungsmaterial der Weltwirtschaftskonferenz als erstes
ein Bild der weltwirtschaftlichen Aktivität veröffentlicht hat. Die Denk-
schrift über die Produktion und den Handel, welche die Vorbereitungs-
kommission Ende 1926 veröffentlichte, kann als gelungener Versuch
einer Darstellung jener Verschiebungen angesprochen werden, die in
der Bevölkerung, der Rohstoff- und Lebensmittelproduktion der Welt
and im Welthandel im Laufe der letzten 12 Jahre (1913—1925) einge-
treten sind. Die Verschiebungen in der industriellen Produktion der
Welt, die zum großen Teil die Ursachen der gegenwärtigen Krise der
Weltwirtschaft sind, konnten im Wege der Statistik nicht erfaßt wer-
den, weil nur wenige Länder genaue Daten über die Verarbeitungsin-
dustrie besitzen. Auch die Angaben über die Produktion, Einfuhr und
Verarbeitung der Rohstoffe konnten hier keine Abhilfe schaffen, denn
die fortschreitende Vervollkommnung in der Verarbeitung der Rohstoffe
bildet einen bedeutsamen Faktor der industriellen Entwicklung, und
es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die tiefreichenden technischen
Umgestaltungen, denen unter dem Drucke des Krieges fast jeder Zweig
der Industrie unterworfen war, die industrielle Produktion in weit
höherem Maße gehoben haben, als man dies aus dem wachsenden Ver-
brauch der Rohstoffe folgern könnte.
1) Memorandum sur la Production et le Commerce. Prepare pour le Comite prepara-
toire de la conference internationale &conomique, Geneve 1926,