Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

Weltwirtschaft und Weltwirtschaftskonferenz. 27 
sicht über die Kartelle wäre unabhängigen Gerichten anzuvertrauen, 
denen sachverständige Räte, bestehend aus theoretischen und prak- 
tischen Fachleuten des wirtschaftlichen Lebens, beizuordnen wären. 
Wenn nach der Auffassung dieser Körperschaft die Tätigkeit des einen 
oder anderen Kartells gegen die Interessen der Volkswirtschaft ver- 
stoßen würde, so könnte das Gericht auf Auflösung des betreffenden 
Kartells erkennen. 
Hier taucht noch die Frage auf, wie die Kartelle sich zu dem schwie- 
rigsten Problem der Nachkriegsjahre, zur Arbeitslosigkeit verhalten. 
Es liegt die Annahme nahe, daß die internationalen Vereinbarungen 
das Bestreben der inländischen Kartelle, mit körperlicher und geistiger 
Arbeit hauszuhalten, begünstigen werden, wodurch sich eine Zunahme 
der Arbeitslosen ergeben würde. Die Unternehmungen würden trach- 
ten, den durch die internationalen Vereinbarungen bedingten Produk- 
tionsausfall im Wege einer gesteigerten Gewinnquote wettzumachen. Die 
Besserung der Lage der Unternehmer und Kapitalisten würde demnach 
eine Verteuerung des Verbrauchs und eine Abnahme der Arbeitsgelegen- 
heiten nach sich ziehen. 
Von diesen Annahmen bewährte sich bisher nur so viel, daß die 
technische und organische Umbildung des Wirtschaftslebens zur Mas- 
senentlassung von Arbeitern und Angestellten geführt hat. Die Ratio- 
nalisierung der Produktion, die Zusammenlegung der Unternehmungen 
ergibt in der ersten Phase des Umwandlungsprozesses notgedrungen 
eine Steigerung der Arbeitslosigkeit. In Deutschland mußten bis. Ende 
des Jahres 1926 infolge Rationalisierung der Produktion nach vor- 
sichtiger Schätzung 100000 Angestellte und 400000 Arbeiter aus 
dem Arbeitsprozesse ausscheiden. Solche Massenentlassungen hätten 
notgedrungen zur sozialen Gegenaktion geführt, wenn nicht die Ar- 
beiterschaft die Vorteile der neuen Produktionspolitik erkannt hätte. 
Diejenigen, die in den internationalen Kartellen und dem mit ihnen 
einhergehenden Rationalisierungsverfahren nichts anderes als bloß eine 
neue Quelle der Arbeitslosigkeit erblicken, unterschätzen die Gefah- 
ren, die den Arbeitsmarkt infolge der bisherigen Anarchie der Pro- 
duktion und des sinnlosen Wettbewerbs der nationalen Kartelle be- 
drohen. Wenn die großen Industrieunternehmungen in dem unfrucht- 
baren Kampfe gegeneinander ihr Betriebskapital und durch die ein- 
setzende Verschuldung auch ihr Stammkapital verlieren, so kann sich 
keine Gelegenheit zur Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte ergeben. 
Aufgabe der internationalen Kartelle ist, dieser Verschwendung und 
den mit ihr verbundenen Verlusten vorzubeugen und mit Hilfe der 
sichergestellten Produktionsquote die Arbeitsgelegenheiten zu stabili- 
sieren. Die vom Risiko befreite Produktion wird mit der Zeit automa- 
tisch billiger werden, was eine Steigerung des Verbrauchs, die Er- 
höhung der kartellmäßigen Produktionsquoten und die Vermehrung der 
Arbeitsgelegenheiten nach sich ziehen wird. Die Zunahme der Ar- 
beitslosigkeit als Folge der Rationalisierung der Produktion kann daher
	        
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