Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

32 1, Abschnitt, IV. 
Völker, stehen auf wirtschaftlichem Gebiete nicht im Gegensatz. Welt- 
wirtschaft und nationale Wirtschaft ergänzen einander gegenseitig. 
Auch die Entwicklung der Technik arbeitet in der Richtung der wirt- 
schaftlichen Solidarität. 
Was der wirtschaftlichen Solidaritäg diametral entgegensteht, ist der 
zollpolitische Wettlauf der Völker, die einseitig, selbstherrlich, oft nur 
den Launen der Tagespolitik folgend ihre Zollsätze erhöhen oder die 
Einfuhr fremder Waren durch sonstige protektionistische Maßnahmen, 
Kisenbahntarife, Verkehrssteuern, Rückvergütungen erschweren. Die 
Verbesserung der Außenhandelsbilanz und der Schutz der nationalen, 
Arbeit sind die beiden Schlagwörter, unter deren Deckmantel die Ab- 
sperrungspolitik die größten Erfolge erzielte. 
Mit der Höhe der Zollsätze wetteifert in ihren schädlichen Wirkun- 
gen die fortwährende Änderung der Tarife, Die tarifalen Übereinkom- 
men der Vorkriegszeit wurden gewöhnlich auf zehn Jahre abgeschlos- 
sen, derzeit ist die Vertragsdauer von einem Jahr die Regel, und selbst 
innerhalb dieser Zeit werden nicht selten Kündigungsfristen von vier 
bis sechs Wochen ausbedungen. Das geltende System der Handelsver- 
räge erfüllt weder die Aufgabe, die Höhe der Zollsätze entsprechend zu 
mildern, noch aber ihre Stabilität zu gewährleisten. Aus diesem Grunde 
3at die Weltwirtschaftskonferenz nicht nur die Mängel dieses Systems 
(estgestellt, sondern auch die Möglichkeit anderer Modalitäten in Be- 
lracht gezogen. Eine ganze Reihe von Lösungsmodalitäten, angefangen 
von der allgemeinen Einführung der Meistbegünstigung bis zu dem 
Plane eines europäischen. Zollvereins, wurden der Konferenz vorgelegt. 
Die Konferenz konnte nicht zu allen diesen Plänen Stellung nehmen, 
doch hat sie geeignete Worte zur Verurteilung der gegenwärtigen Lage 
gefunden, die nichts anderes ist, als die Fortsetzung des Krieges und 
die Vorbereitung des zukünftigen Waffenganges mit wirtschaftlichen 
Mitteln. Denn auf wirtschaftlichem Gebiet besteht noch überall ein 
wahrer Kriegszustand. Die Bewaffnung erfolgt nicht in jedem Lande 
mit kriegerischen Mitteln, aber in jedem Lande wird sie mit den Waffen 
des wirtschaftlichen Krieges, mit Zoll- und Eisenbahntarifen, Ein- und 
Ausfuhrverboten, Export- und Importgebühren, sowie mit anderem, 
längst vergessenem, verrostetem Rüstzeug des wirtschaftlichen Ar- 
senals betrieben. Während früher die Völker einander in der militäri- 
schen Ausrüstung zu übertreffen suchten, ist heute derselbe Vorgang 
auf wirtschaftlichem Gebiete im Zuge und der Wettkampf ist hier in 
den stetig wachsenden, bis zur Sinnlosigkeit hochgespannten Sätzen 
der aufeinanderfolgenden Zolltarife nachzuweisen. 
Die Konferenz hat in diesem wichtigen Punkte die auf sie gesetzten 
Hoffnungen nicht enttäuscht. Sie hat auf die dem Hochschutzzollsy- 
stem innewohnende Kriegsgefahr deutlich hingewiesen, hat den Zoll- 
ireibereien ein lautes und entschiedenes „halt“ zugerufen und durch 
diese Stellungnahme den Umschwung in der seit dem Kriege herrschen- 
den handelspolitischen Gesinnung bedeutend gefördert.
	        
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