Die Bedeutung und der Verlauf der Weltwirtschaftskonferenz. 43
gung und Anwendung der Meistbegünstigungsklausel näherkomme.
Das Konferenzziel sei die Neugestaltung der Wirtschaft, eine Steige-
rung der Produktion durch Rationalisierung und bessere Güterver-
teilung, jedoch im Rahmen der 48-Stundenwoche. Der Präsident des
Internationalen. Landwirtschaftlichen Institutes, de Michelis (Rom),
behandelte eingehend die Lage der Landwirtschaft und der Rohstoff-
industrien und ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Die Landwirtschaft
und die Rohstoffe bilden die Grundlage des Reichtums, und wenn ihre
wirtschaftliche Organisation nicht eine zeitgemäße ist, so muß die
ganze Weltwirtschaft darunter leiden. Mit der Kreditfrage der Land-
wirtschaft werde sich eine in Vorbereitung stehende Sonderkonferenz
demnächst befassen. Die Kartellierung der Industrie möge sich nicht
gegen die Landwirtschaft richten. Rygg (Norwegen) unterstützt die
Denkschrift der Internationalen Handelskammer, möchte aber die
Niederlassungsfrage zur Zeit zurückstellen, um die anderen Postulate
besser berücksichtigen zu können. Als wesentlichstes Ergebnis der
Konferenz erwartet er die Erzeugung einer Geistesrichtung, welche
stark genug ist, um in den einzelnen Ländern die Regierungen und
Parlamente zwecks Beschreitung einer möglichst liberalen Wirtschafts:
politik zu beieinflussen. De Paranagua (Brasilien) wendet sich
gegen den. Gedanken eines europäischen Präferenz-Zollsystems. Das
wäre das verhängnisvollste, was man machen könnte; denn ein euro-
päisches Kontinentalschutzsystem würde sicher ein amerikanisches
und asiatisches nach sich ziehen, wodurch die Weltwirtschaft stärker
als je auseinandergerissen würde. Der Leiter der ständigen chine-
sischen Delegation beim Völkerbundamte, Chuan Chao, wies auf den
chinesischen Kern der Zollirage hin, indem er der Konferenz nahe-
legte, in welcher Lage sich ein Land fühlen müsse, welchem seine
Zollpolitik von anderen Ländern diktiert werde. Er beanspruchte für
sein Land die volle Freiheit und Selbständigkeit zur Bestimmung
seiner Zoll- und gesamten Wirtschaftspolitik. China würde durch eine
freie und gleichberechtigte Behandlung dank seines Rohstoffreich-
tums für die gesamte Weltwirtschaft von der größten Bedeutung wer-
den. Der Herausgeber des Economist, W. T. Layton (Großbritan-
nien), hat seinem Vortrag den Titel „Die Illusion der Vorkriegszeit‘
gegeben, womit gesagt sein soll, daß Europa sich von seiner Wirt-
schaftsorganisation der Vorkriegszeit und den damals leitenden Ideen
radikal abwenden müsse. Der Wandel der europäischen Lage ist in
der Verschiebung der Produktionstätigkeit, in der Industrialisie-
rung großer Teile der Welt, in der Verschiebung des Kapi-
tals (Amerika), in der veränderten Bevölkerungsverteilung, in der
Regelung der Reparationen und der interalllierten Schulden, in
der wirtschaftlichen Zerstückelung Mitteleuropas begründet. Europa
befindet sich somit in einer ganz anderen Lage als vor dem Kriege,
und muß zu ganz neuen Mitteln greifen, um wieder zu einem normalen
Wirtschaftszustand zu gelangen. Dabei seien drei Grundgedanken zu