Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

38 3. Abschnitt, IA. 
n en — A. 
wichtige Funktionen in der Weltwirtschaft zu verzichten, die es vorher 
zrfüllt hatte.‘ 
Es wäre auch nicht minder falsch, zu glauben, daß Europa seine 
shemalige, prädominierende Stellung im Welthandel zurückerobern 
könne. Denn die Wandlungen in der Weltwirtschaft sind nicht allein 
auf den Krieg zurückzuführen. Der Krieg hat gewisse Wandlungen 
nur beschleunigt, die schon im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten 
Jahrhunderts an den Tag getreten waren. Nachdem ein Jahrhundert 
hindurch die anderen Weltteile sich .damit abgefunden hatten, ihre 
Rohprodukte nach Europa zu Kefern, um von, ihm die Fertigwaren zu- 
zurückzukaufen, konnte man seit 1905/6 (in den Vereinigten Staaten 
schon 20 Jahre früher) eine Zeit heranreifen sehen, in der die außer- 
suropäischen Länder beanspruchen würden, auf eigenem Gebiete 
eigene Industrien zu schaffen. Diese Entwicklung hat dann der Krieg 
durch die Fesseln, die er dem Außenhandel. auflegte, aufs stärkste 
deschleunigt. 
Infolge der veränderten Beziehungen Europas zu den übrigen Kon- 
äinenten haben große Gebiete von Europa ihre alten Märkte verloren und 
müssen neue Absatzwege für ihren Handel finden. In Europa selbst ist 
das normale Spiel des Warenaustausches infolge der zahlreichen neuen 
unnafürlichen politischen Grenzen, die gezogen wurden, stark beein- 
trächtigt. Denn. die politischen Grenzen haben durch eine Reihe von 
Absperrungsmaßnahmen und Schikanen wirtschaftliche Bedeutung er- 
halten. Die Zahl der Zollgebiete hat sich in Europa von 20 auf 27 er- 
höht, innerhalb deren Grenzen unabhängige Nationalwirtschaften ihre 
autarken Tendenzen durch Zollmauern zu verteidigen suchen, Die un- 
arträglichsten Hemmnisse handelspolitischer Natur sind zwar in den 
letzten Jahren fühlbar verringert worden, die Konferenz konnte indes- 
sen feststellen, daß das Europa von heute höhere und komplizier- 
tere, unbeständigere und zahlreichere Zölle aufrechterhält, als es im 
Jahre 1913 der Fall war. Auch ist es Europa noch nicht gelungen, sein 
früheres System der Handelsverträge wieder aufzubauen. Dazu hat 
sich der Brauch eingebürgert, mit Rücksicht auf künftige Handelsver- 
träge Verhandlungstarife in Kraft zu setzen. Wenn dann — was häufig 
geschah —- auf die neuen Zolltarife keine Handelsverträge folgten, 
blieben die „autonomen“ Zölle zu Recht und erhöhten das frühere Zoll- 
niveau, Auf diesem abschüssigen Wege gleitet Europa immer tiefer 
hinab; im Urteile der Konferenz haben die letzten drei Jahre, trotz zahl- 
veicher Handelsverträge, eine Verschlechterung der zollpolitischen Lage 
gebracht. 
Das Bestreben, die Höhe des Zollniveaus den anderen Ländern anzu- 
zleichen, die Sorge jeder Nation, ihre zollpolitische Lage während der 
Vertragsverhandlungen. zu verbessern, der Wunsch nach Repressalien 
gegenüber nachteilig empfundenen Zollmaßnahmen anderer Länder, 
das Vorgehen, gewisse Waren für den nationalen Konsum zurückzuhal- 
len, die Sorge um die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in den Kon-
	        
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