Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

Die Problematik der Weltwirtschaftskonferenz, 61 
sich die Konferenz gegenüber einer Schutzzollpolitik, deren Grund be- 
völkerungspolitische Besorgnisse sind, der Kritik zu enthalten. 
Die Hauptkritik der Konferenz wird an der handelspolitischen Praxis 
geübt, die es für vorteilhafter erachtet, die Einfuhr zu drosseln als 
die Ausfuhr zu erhöhen. Demgegenüber wird die Wahrnehmung fest 
gestellt, daß dort, wo die Ausfuhr steigt, die Produktion und das Na- 
tionaleinkommen in einem ähnlichen Maßstabe wachsen. Wenn im 
Gegensatz dazu die Einfuhr infolge der Zölle sinkt, so verringert die 
Erhöhung des Preisniveaus nicht nur die Exportmöglichkeiten, son 
dern auch die Konsumkraft des Landes. Der übertriebene Protektionis 
mus, der die Produktion und die Kaufkraft des Landes vermindert, be- 
wirkt das Gegenteil dessen, was er erstrebte. 
Außer den Zolltarifen sind es in erster Reihe die Handelsver- 
träge, die den Handelsbeziehungen der Völker den Stempel aufdrük 
ken. Die Rückkehr zu dem System langfristiger Handelsverträge, die 
eine gleichmäßige Behandlung gewährleisten, würde daher einen ent- 
scheidenden Schritt für die wirtschaftliche Wiederaufrichtung der Welt 
bedeuten. Die Konferenz empfiehlt deshalb, der Völkerbundsrat möge 
das Wirtschaftskomitee beauftragen, alle nötigen Erwägungen, Bera- 
tungen und Ermittlungen anzustellen, um die geeigneten Maßnahmen 
zu einem gleichmäßigen Tarifsystem der europäischen Staaten vorzu- 
schlagen oder wenigstens eine gemeinsame Grundlage für die Handels- 
verträge zu ermitteln. Endlich wäre auch die Festsetzung klarer, ein: 
heitlicher Grundsätze bezüglich der Auslegung und Bedeutung der 
Meistbegünstigungsklausel vonnöten. 
Den unmittelbaren Anstoß zur £ntschließung der Konferenz, dem Völ- 
kerbundsrat die Vereinheitlichung der europäischen Tarifsysteme an- 
zuempfehlen, scheinen die Schwierigkeiten gegeben zu haben, zu denen 
die Verschiedenheiten der Vertragssysteme in den deutsch-französi- 
schen Verhandlungen führten. Deutschland besitzt einen autonomen 
und einheitlichen Zolltarif, Frankreich zwei verschiedene Tarife: einen 
allgemeinen Tarif, der ohne weiteres angewandt wird, und den soge- 
nannten Minimaltarif, der die äußerste Grenze der Konzessionen dar- 
stellt. Ein Gesetz vom 29. Juni 1919 verbietet die allgemeine An 
wendung der Meistbegünstigung. Die Unantastbarkeit des französi- 
schen. Minimaltarifs einerseits, die Freiheit, die sich Frankreich vor 
behielt, die Tarifsätze während der Dauer der Verträge ändern zu kön- 
nen, andererseits machten die Verständigung nahezu unmöglich, Die 
französische Regierung hat denn auch einen Gesetzentwurf dem Parla- 
ment eingebracht, der eine Annäherung an das mitteleuropäische 
Vertragssystem bedeutet. Das neue Tarifregime sieht in drei Punk 
ten eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes vor: 1) die Möglich- 
keit, die allgemeine de facto Behandlung der meistbegünstigten Nation 
zu gewähren; 2) die eventuelle Herabsetzung gewisser Sätze des 
Minimaltarifes, sobald die Abgaben übermäßig hoch erscheinen} 3) die 
Konsolidierung derselben für eine Höchstdauer von 5 Jahren unter
	        
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