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3. Abschnitt, II A.
HI. Die Probleme der Landwirtschaft.
\. Dielandwirtschaftliche Weltlageund die Ursachen der
Depression.
Die wachsende Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen,
die im Jahre 1925 die Produktion des letzten Friedensjahres um
L6—180% überstieg, war nicht von einer entsprechenden Prosperität
der Landwirtschaft begleitet. Nahrungsmittel und Rohstoffe bilden
zwar noch immer die Grundlage jeden Reichtums, sie bedeuten jedoch
für die Erzeuger erhöhten Wohlstand nur, wenn ihre Produktion mit
einer gesteigerten Kaufkraft und mit einem größeren Verbrauch der
Konsumenten einhergeht. Die Verarmung und Kaufkraftverminderung
weiter Bevölkerungskreise in Europa haben eine ungünstige Gestaltung
ler Agrarpreise bewirkt. Die Kriegskonjunktur der Agrarprodukte,
die zu einer Verdoppelung der Preise geführt hat, ist im Frühjahr 1920
zusammengebrochen, als die amerikanische Regierung ihre Kreditge-
währung an die Alliierten einstellte, und sich zeigte, daß diese die
amerikanischen Agrarprodukte aus eigenen Mitteln nicht zu bezahlen
vermochten. Eine Entspannung in der Agrarkrise erfolgte erst im
Jahre 1924, als mehrere europäische Währungen, unter ihnen die
deutsche, stabilisiert wurden, und die aus den Vereinigten Staaten
wieder einströmenden Kredite Kaufkraft und Verbrauch in starkem
Maße hoben. Die Preise für Weizen und Fleisch haben sich seit Mitte
1924 über die ganze Erde hin gehoben, und die Steigerung dauerte
auch im Jahre 1925 fort, das die höchsten je erzielten Getreideerträge
brachte.
Wenn angesichts dieser Entwicklung dennoch von einer Depression
in der Landwirtschaft gesprochen werden muß, so ist das nach der
Feststellung der Weltwirtschaftskonferenz in erster Reihe in der Stö-
rung des Gleichgewichtes zwischen den Preisen der Agrarprodukte
and denen der industriellen Erzeugnisse zu suchen. Diese Disparität
hat zur Folge, daß die Landwirte in einer großen Zahl von Ländern.
[ür ihre Aufwendungen an Arbeit und Kapital keinen ausreichenden
Gegenwert bekommen, daß die Landwirtschaft nicht rentabel ist.
Der deutsche Delegierte Hermes hat zwar nachgewiesen, daß seit
Mitte 1924 auf den internationalen Märkten die Preisschere sich an-
fängt zu verengen und teilweise zu schließen. Aber noch sind die wich-
ligsten Verbrauchsgüter der landwirtschaftlichen Bevölkerung im Ver-
hältnis zu den Agrarpreisen viel teurer als in der Vorkriegszeit. Eine
für die Menschheit schädliche Verringerung der landwirtschaftlichen
Produktion könnte nach Auffassung der Konferenz nur vermieden wer-
den, wenn Maßnahmen ergriffen würden, die geeignet sind, das ge-
störte Gleichgewicht in den Preisverhältnissen wieder herzustellen.