Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

34 3. Abschnitt, IHB. 
Bodenreformen der Nachkriegszeit bewirkten Zersplitterung des Be- 
sitzes zu bewirken. Über die Wirkungen der Agrarreform selbst war 
die Auffassung der Kommissionsmitglieder geteilt. Während einzelne, 
wie der Belgier Tibbaut, für die Vermehrung des Kleinbesitzes und 
die Aufhebung aller gesetzlichen Beschränkungen eintraten, hat der 
ungarische Delegierte Graf Somssich Beispiele angeführt, in denen 
die Agrarreform infolge des Kapitalmangels und des angewandten Ver- 
lahrens zu einer Verringerung des Bodenertrages geführt hat. Der Prä- 
zident der Kommission, Frangesch, sprach die Berechtigung den 
\grarreformen nicht ab, hielt es aber für wünschenswert, daß zumin- 
dest in weniger entwickelten Agrarländern zwischen Großgrundbesitz 
und Kleinbesitz ein gewisses Gleichgewicht bestehe. Auf jeden Fall 
habe die Agrarreform in Bulgarien, Ungarn und Rumänien den Rück- 
gang des Getreideexports verursacht. Die Kommission hat zu dieser 
Frage nicht Stellung genommen. 
Der Erfolg jeder landwirtschaftlichen Reform, vor allem der der ge- 
aossenschaftlichen Organisation, hat aber zur Voraussetzung eine 
gründliche Schulung und Belehrung über die Bedeutung der gemein- 
schaftlichen Produktion, deshalb fordert der Beschluß der Konferenz 
vom Staate und den öffentlichen Instanzen die Unterstützung der Ge- 
nossenschaftsbewegung auf dem Wege von Schaffung von Universi- 
tätslehrstühlen oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, sowie 
Veranstaltung von öffentlichen Vorträgen über die Genossenschafts- 
bewegung. Für die große Bedeutung des landwirtschaftlichen Unter- 
richtes auf dem Genossenschaftsgebiete hat der Japaner Sato vielsa- 
gende Zahlen angeführt. Japan besitze 300 landwirtschaftliche Fach- 
schulen, mehrere Tausend Fortbildungsinstitute und 40 landwirtschaft- 
liche Versuchsstationen, außerdem einen landwirtschaftlichen Verein 
in jedem Dorfe. Auch der Norwege Five hat die Hebung des Bil- 
dungsgrades der landwirtschaftlichen Bevölkerung als grundlegende 
Bedingung allen wirtschaftlichen Fortschrittes hingestellt. Die Be- 
schlüsse der Konferenz würdigen entsprechend diese Ausführungen, 
indem sie auf die Sache noch ein zweitesmal zurückkommen und be- 
tonen, daß das ländliche Schulwesen aller Stufen und die Jandwirt- 
schaftliche Berufsausbildung im allgemeinen Gegenstand der besonde- 
ren Aufmerksamkeit der Regierungen und der landwirtschaftlichen 
Verbände sein sollen. 
Neben einer ausgedehnten Genossenschaftsorganisation könnte der 
Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion am meisten durch die 
Organisation des landwirtschaftlichen Kredits gedient 
sein. Der Gedanke, den Agrarkredit international zu organisieren, wurde 
vom Vertreter Chiles, Brieba, in einer an das Finanzkomitee des 
Völkerbundes gerichteten Empfehlung formuliert. Er fand die Unter- 
stützung der Delegierten Finnlands, Polens, Jugoslawiens und der Tür- 
kei, wogegen die Vertreter Deutschlands, Englands und der Vereinig- 
ten Staaten die Gründung eines internationalen Agrarkreditinstitutes
	        
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