Rationalisierung im Großhandel
VON DR. LEON ZEITULIN, M. D, R.W. R. (BERLIN)
FRANKFURTER ZEITUNG
I. MORGENBLATT VOM 17. JUNI 1926
Rationalisierung der deutschen Wirtschaft hat sinngemäß
ihrem organischen Werden und Wachsen Rechnung zu tragen.
Für sie ist, wie es in dem Aufsatz von Prof, Heydebroek
durchaus zutreffend heißt, die Erhaltung einer möglichst breiten
Schicht mittlerer und kleinerer industrieller Betriebe eine
Lebensfrage. Damit ist von vornherein der grundsätzliche Stand-
punkt zu dem Problem der Rationalisierung solcher Betriebe
gewonnen, deren volkswirtschaftliche Funktion nicht in der
Erzeugung von Gütern, sondern in der Ueberleitung zum Ver-
brauch, das heißt in Vermittlung und Verteilung besteht. Allein
während diese Funktion bei dem Einzelhandel als gegeben und
unbestritten anerkannt wird, so daß sich Alfred Leonhard
Tietz in seinen Ausführungen über Rationalisierung des
Detailhandels ausschließlich mit der Erörterung der Frage be-
schäftigen konnte, wie lassen sich die Betriebsvorgänge des
Einzelhandels rationalisieren, hat sich der Großhandel erst
noch mit denen auseinanderzusetzen, die in seiner völligen oder
wesentlichen Ausschaltung überhaupt eine der wichtigsten Vor-
bedingungen für eine Rationalisierung der Wirtschaft erblicken.
Hierzu läßt sich ganz allgemein folgendes sagen: Wenn man
sich auf den Boden der Heydebroekschen Auffassung stellt, der-
zufolge die Erhaltung einer möglichst breiten Schicht mittlerer
und kleinerer industrieller Betriebe nicht nur im Interesse einer
möglichst günstigen sozialen Schichtung der Bevölkerung not-
wendig ist, sondern auch weil ein derartiger Aufbau der
industriellen Gütererzeugung allein die Gewähr für Qualitäts-
leistung und damit für Fortschritte auf den Gebieten materieller
Kultur bietet, dann scheidet die Frage der Zweckmäßigkeit der
Ausschaltung des Großhandels als einer wünschenswerten
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