Ein praktischer Versuch
und sein Ertrag
VON DR.-ING. HERMANN HAEBERLE
Technischer Direktor der Firma Carl Gentner in Göppingen
FRANKFURTER ZEITUNG
[L. MORGENBLATT VOM 31. AUGUST 1926
Der Meinung entgegenzutreten, wissenschaftliche Betriebs-
führung sei für die Gesamtheit der Industrie ungeeignet und
komme nur für einige wenige besondere Fälle in Frage, soll der
Zweck nachfolgender Zeilen sein. Sie sollen die Umorganisation
eines Industriewerkes und ihre Ergebnisse schildern.
Es soll gleich vorweggenommen werden, daß die Betriebs-
rationalisierung eine Leistungssteigerung von nahezu
zweihundert Prozent ergab, mit der natürlichen Folge, daß die
Arbeiterschaft auf ein Drittel ihres früheren Standes sank, ohne
daß die absolute Produktionshöhe sich verringert hätte, Gleich-
zeitig ermöglichte sie eine Reduzierung der Arbeitszeit von
fünfzig auf zweiundvierzig Wochenstunden und ergab ferner die
Möglichkeit, den Arbeitern einen wesentlich über den orts-
üblichen Sätzen liegenden Tagesverdienst zu gewähren, Leicht
könnte nun die Vermutung entstehen, daß sich das Arbeitstempo
in einem die Gesundheit des Arbeiters schädigenden Maße er-
höht habe. Tatsächlich ist dies aber keineswegs der Fall, das
Arbeitstempo ist zwar ein lebhaftes und gegen früher erhöhtes,
ist aber durchaus nicht so forciert, daß ein vorzeitiger Kräfte-
verbrauch des Arbeiters zu befürchten ist. Die Methoden, durch
welche die genannte Leistungssteigerung erzielt werden konnte,
sollen im folgenden kurz näher erläutert werden.
L. Arbeitsteilung: Früher zusammenhängende Arbeiten
sind in kleine Einzeloperationen zerlegt worden, die von einem
und demselben Arbeiter fortgesetzt durchgeführt werden. Diese
Arbeitsteilung bis zum äußersten Extrem zu betreiben, wurde
jedoch mit voller Absicht vermieden; jede einzelne Arbeit be-
steht immerhin noch aus einer Reihe zusammenhängender Hand-
griffe und führt jedesmal zu einem gewissen Abschluß,
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