Arbeit und Ermüdung
Rationalisierung als medizinische Aufgabe
VON DR. HEINRICH BRIEGER (MARBURG A. L.)
FRANKFURTER ZEITUNG
1, MORGENBLATT VOM 5. DEZEMBER 1926
Die rein technische Betrachtungsweise des Rationalisierungs-
problems, wie sie den Pionieren der wissenschaftlichen Betriebs-
führung (Taylor und seinen Mitarbeitern) eignete, ist heute der
ökonomisch gerichteten untergeordnet, Des Grundproblems
komplexe Natur wird‘ also erkannt und gewürdigt, Die Viel-
fältigkeit der technischen Aufgaben jedoch, die Fülle ihrer
Beziehungen zu den verschiedensten Forschungszweigen wird
in der Praxis der Betriebe auch heute noch vielfach ungenügend
berücksichtigt. Nachdem die Arbeit des Menschen in den
Rationalisierungsprozeß einbezogen worden ist, gehören nun
auch die Kenner der menschlichen Natur, Physiologe. und
Psychologe, ebenso wie die Techniker zu den eigentlich Sach-
verständigen. Voraussetzung dafür ist freilich, daß sie sich über
die Anwendung der menschlichen Fähigkeiten im Produktions-
gang unterrichten.
Rationalisierung zielt auf höchste Leistungssteigerung hin.
Wie es aber schon bei der Maschine nicht möglich ist, allein
durch stärkste Beanspruchung den wirklich vollen Wirkungs-
grad dauernd zu erhalten, so ist das bei der menschlichen
Arbeitsmaschine mit ihren besonderen Arbeitsbedingungen erst
recht unmöglich, Denn wenn bereits die Maschine weitgehende
Rücksicht auf ihre Abnutzung fordert, so ist die Maschine
Mensch, die ihre Betriebskraft selbst bildet, dabei ihren Stoff
verbraucht und deren Beeinflußbarkeit und Abnutzungsgrad
ganz unvergleichlich größer ist, ein noch weit empfindlicheres
Werkzeug der Technik. Mit anderen Worten: größte An-
strengung (Intensität) ist durchaus nicht gleichbedeutend mit
größter Ergiebigkeit der Arbeit (Produktivität). Wozu sollte
auch stärkere und billigere Erzeugung mit allen ihren günstigen
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