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war die Epoche des sogen. „Kriegskommunismus‘ zivilrechtlichen Ver-
hältnissen so fremd, daß man eigentlich behaupten kann, daß der
Schutz der unbedeutenden nicht gesetzwidigen zivilrechtlichen Verhält-
nissen eher prekär als gesetzmäßig war. Es herrschte im Gebiete des
privaten Rechts, man könnte sagen, ein „vacuum juris“, da fast das
gesamte wirtschaftliche Leben planmäßig auf sozialistische Weise ver-
waltet war. (vgl. E. Kelmann, „Ostrecht“, 1925, Nr. 2, S. 275.) In
seinem Buche über Wirtschaftsrecht führt Goichbarg aus, daß auf
einem Sowjetjuristentage im Sommer 1920 die Teilnehmer der Tagung
kein Beispiel eines privatrechtlichen Verhältnisses außer der Anstellung
eines Hirten im Dorfe nennen konnten. (S. 5).
Die Grundlagen des Zivilrechts sind in einer Verordnung der Ill.
Session des Allr. Zentr. Exek. Kom. vom 22. Mai 1922 „über die privat-
rechtlichen Grundrechte in vermögensrechtlicher Beziehung, die von
der RSFSR. anerkannt, durch die Gesetze geschützt uud durch die Ge-
richte der RSFSR verteidigt werden“, dargestellt.
Mit einer beispiellosen Geschwindigkeit wurde ın einigen Monaten
nachher auf der Grundlage dieser Verordnung ein hürgerliches Gesetz-
duch ausgearbeitet, am 31. Oktober 1922 von dem Allruss. Zentr. Exek.
Kom. angenommen und am 1. Januar 1923 (in der Ukraine am 1. Fe-
bruar 1923) in Kraft gesetzt. (Ueber den Gang der Kodificationsarbei-
ten berichtet S. Rajewitsch, in der Enzyklopädie für Recht und
Staat, herausg. von der Kommunistischen Akademie, 1925. Moskau,
5. 699—713).
Das Bürgerliche Gesetzbuch, das auch den des Russischen unkun-
digen Lesern dank der vortrefflichen Uebersetzung von H. Freund
(Das Zivilrecht Sowjetrußlands, Mannheim, 1924) und l’atouiller&
Dufour (Les Codes de la Russie Sovjetique, avec preface et intro-
duction par E. Lambert, Paris, 1925) jetzt zugänglich ist, unter-
scheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den in anderen Staaten gel-
tenden bürgerrechtlichen Gesetzbüchern, Es ist sehr kurz gefaßt —
es besteht aus nur 435 Artikeln. Mehrere Institute, die dem bourgoisen
Zivilrechte eigen sind, finden in diesem BGB. keine Erwähnung, und
da das BGB. eine ausdehnende Auslegung nicht begünstigt (vgl. Art. 5
des Einf. G. zum BGB.), so können solche Institute, wie z. B. die Servi-
tuten, holographische Vermächtnisse usw. nicht durch die Rechtspraxis
eingeführt werden. Die das ganze BGB. durchdringende Idee einer
Abhängigkeit der bürgerlichen Rechte von deren wirtschaftlich zweck-
mäßiger Ausübung hat eine besonders ausdrückliche Ausprägung in
dem Art. 1 des BGB. gefunden, demzufolge die bürgerlichen Rechte den
Gesetzesschutz genießen, mit Ausnahme derjenigen Falle, in denen sie
im Widerspruch zu ihrer sozialwirtschaftlichen Bestimmung verwirk-
licht werden“. (Vgl. dazu J. Kantorowitsch, Der I. Art. des BGB,.,
„Recht und Leben“, 1925, H. 2/3. S. 3—11). Ebenfalls ist es von prin-
zipieller Bedeutung, daß die bürgerliche Rechtsfähigkeit nicht als etwas
an sich Existierendes angenommen wird. sondern als etwas von dem
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