Teil. Italien, das keinen Doppeltarif besitzt, beruft sich darauf, daß es schon vielen
Staaten vertragliche Ermäßigungen seiner autonomen Zölle zugestanden habe, die zum
größten Teil auch Deutschland bei Einräumung der Meistbegünstigung zugute kommen
würden. Da hiernach ihre Meistbegünstigung ungleich wertvoller sei als die deutsche,
könnten sie für die allgemeine Meistbegünstigung Deutschlands nur eine beschränkte
Meistbegünstigung hingeben. Diese Erklärungen sind von Frankreich und Belgien bekräftigt
worden durch Überreichung von Listen der Waren, bei denen sie Deutschland die Meist:
begünstigung versagen. Japan hat das gleiche Vorhaben in einer mehr verschleierten
Form zum Ausdruck gebracht, indem es sich die Aufrechterhaltung des Einfuhrverbots für
Teerfarben, das sich praktisch nur gegen Deutschland richtet, vorbehalten hat. Ein Ein-
blick in die erwähnten Listen Frankreichs und Belgiens zeigt, daß diese Staaten Deutsch-
land zumuten, auf die Meistbegünstigung für eine Reihe der wichtigsten Exportindustrien
zu verzichten. Diejenigen deutschen Exportindustrien, die vor dem Kriege in den Ländern
unserer Vertragsgegner ein gutes Absatzgebiet besaßen, sollen von diesen Märkten fern:
gehalten werden zugunsten der in und nach dem Kriege neu entstandenen heimischen Indu-
strien. Der Schutz der gleichsam in einer Treibhauskultur gewachsenen Kriegsindustrien, die
sich immer mehr in den Ländern unserer Vertragsgegner als das schwerste Hindernis für einen
internationalen Abbau der Zollmauern darstellen, ist der Grund für das Bestreben, uns
‘die allgemeine Meistbegünstigung vorzuenthalten. Wenn hiernach auch die oben angedeutete
Beweisführung unserer Verhandlungsgegner nur ein Vorwand ist, so ist gleichwohl diese Be,
weisführung insbesondere in der französischsbelgischen Formulierung lehrreich für die Res
form des deutschen Zollsystems.
Sobald die Absichten der Gegenseite bekanntgeworden sind, hat der Reichs-
verband der Deutschen Industrie von der Regierung verlangt, daß sie keine
Handelsverträge abschließt, in denen die Meistbegünstigung für irgendeine Export:
industrie versagt wird. Da aber das Verhalten der Gegenseite erkennen ließ, daß sie die
uneingeschränkte Meistbegünstigung nur gegen die weitestgehenden Zugeständnisse
Deutschlands einräumen würde, mußte auch der Wert der gegnerischen Meistbegünstigung
untersucht werden. Hierzu haben schon die Vorbereitungen zu den Handelsvertragsvers
handlungen ergeben, daß Deutschland mit größerem Recht als die Vertragsgegner den Wert
einer uns etwa zufallenden Meistbegünstigung anzweifeln muß. Das in der internationalen
Handelspolitik beliebteste Mittel, den Nachteil der Meistbegünstigung zu mindern, ist die
Spezialisierung des Zolltarifschemas. Von diesem Mittel hat Deutschland bisher keinen
Gebrauch gemacht. Es besitzt noch das Zolltarifschema von 1902 in unveränderter Ge-
stalt, obwohl dieses Schema der inzwischen schnell fortgeschrittenen Verfeinerung und
Differenzierung der industriellen Produktion nur mehr in unzulänglichster Weise gerecht
wird. Das Ausland hat demgegenüber in großem Umfange eine Erneuerung und insbe:
sondere cine weitgehende Spezialisierung seiner Zolltarifschemen vorgenommen. Die
Zahl der Zolltarifpositionen ist seit Beginn des Weltkrieges gestiegen: In Italien von 473
auf 953, in Spanien von 718 auf 1540, in Ungarn von 657 auf 974, in Portugal von 592 auf 861,
in der Schweiz von 1164 auf 1977, in den Vereinigten Staaten von 657 auf 1710 und in
Belgien von 70 auf 1216. Frankreich hat bisher nur den Abschnitt der Chemikalien neu
aufgebaut, aber allein hierbei die Zahl der zugehörigen Positionen von 49 auf 381 vermehrt
Man hat diese Spezialisierung der Zolltarifschemen in den Handelsverträgen der Nach:
kricgszeit noch einen wesentlichen Schritt weitergetrieben, indem man gegenüber Export:
wünschen des anderen Vertragsteils, die in späteren Verhandlungen auf einmal von einem
anderen Vertragsland, beispielsweise von Deutschland, geäußert werden könnten, Ermäßi:
gungen der Zollsätze nicht für eine ganze Position des Zolltarifs, sondern nur für soges
nannte Ex-Positionen zugestanden hat. Hierbei hat man sich selbstverständlich bes
müht. die Ex-Positionen so zu formulieren, daß sie nur die Spezialerzeugnisse der betreffen: