jesetz im eigentlichen Sinne reden, sondern
von Bindungen, welche wirtschaftlich und
politisch von gleich weittragender Bedeus
tung sind. Festlegungen dieser Art könnten
aicht die Zustimmung der Industrie finden,
da wir selbst unser eigenes Schicksal auf
dem Gebiete der Zoll» und Handelspolitik
noch nicht zu übersehen vermögen.
Ich wiederhole also, daß gegenwärtig
vorwiegend die großen Berufstände einander
gegenüberstehen. Solange eine Verständi-
zung der Spitzenorganisationen unterein-
ander und dieser Organisationen mit dem
Parlament nicht erfolgt, werden wir kaum
weiterkommen.
Für die Industrie ergibt sich bei dieser
Sachlage die Frage, ob sie sich unter Um:
ständen auf die ausschließliche Behandlung
der industriellen Zolls und Handelsprobleme
beschränken soll, deren Erledigung nach der
politischen Struktur des Parlaments etwas
zeringere Schwierigkeiten bereiten dürfte als
diejenige der Agrarzölle. In dieser Richtung
bewegen sich auch gewisse Anregungen, die
mir gerade in der letzten Zeit aus be-
stimmten großen industriellen Gruppen zus
gingen. Man sagt: Wir können nicht ewig
auf .die Landwirtschaft warten. Ich glaube,
daß man sich bei Anregungen dieser Art
der großen Bedeutung des in Frage kommen,
den Gesamtkomplexes wirtschaftlicher
Fragen nicht immer ganz klar ist. Ich muß
mich an dieser Stelle auf die kurze Be:
merkung beschränken, daß nach Überzeu-
gung der ganz überwiegenden Mehrheit der
industriellen Vertreter in den Spitzen»
organen die Gesamtwirtschaft Deutschlands
ohne Schaffung der Möglichkeiten für eine
Intensivierung der deutschen Landwirtschaft
und auch für deren Rentabilität nicht vors
wärtskommen wird. Wir wissen, daß eine
konsumfähige Landwirtschaft teils unmittel-
bar zu den festesten Stützen der deutschen
industriellen Produktion gehört.
Wir wollen deshalb trotz aller Schwierig:
keiten nicht ungeduldig werden. Sie dürfen
glauben, daß wir, die wir das privilegium
odiosum haben, im Parlament sitzen zu
müssen — wofür wir heute von einer ganzen
Anzahl von Rednern ein glänzendes Zeugnis
geistiger Befähigung ausgestellt bekommen
haben (Heiterkeit) —, doch diejenigen sind
die am schwersten im Feuer stehen. Sie
können versichert sein, daß wir, schon um
endlich einmal den Beweis unserer Tüchtig»
keit zu erbringen (Heiterkeit), alles tun
werden, was möglich ist, soweit dies das
Verantwortungsgefühl gegenüber der Ges
jamtheit gestattet. Dankbar aber wären wir,
wenn uns die industriellen Spitzenorgani:-
sationen durch ihren Gedankenaustausch
nit den anderen Berufsständen unter-
stützen würden.
Herr Karl Lange:
Die Situation, in die wir durch die Ab»
ehnung des spanischen Handelsvertrages in
ler Handelsvertrags-Kommission des Reichs-
:ages geraten sind, zeigt uns deutlich, wie not:
vendig es ist, daß wir uns über unsere weitere
Yaltung gegenüber der Landwirtschaft klar
werden. Ein vernünftiges Zusammenarbeiten
‚on Industrie und Landwirtschaft in verschie»
lenen wichtigen Fragen ist nur denkhar,
venn dabei die Interessen beider Teile ge:
vahrt werden. Das ist wohl auch der Sinn
ler mit der Landwirtschaft getroffenen Ab»
'ede gewesen.
Wenn wir uns aber die Entwicklung der
etzten Jahre ansehen, so finden wir, daß die
Landwirtschaft ohne jede Berückichtigung
»erechtigter Interessen nicht nur der In-
lustrie, sondern der gesamten deutschen
Volkswirtschaft, in einer Rücksichtslosigkeit
sondergleichen eine nur von reinem Egoismus’
ingegebene Politik betreibt. Ebenso wie die
„andwirtschaft durch eine hemmungslose und
lie Nachteile des spanischen Vertrages weit
ibertreibende Ägitation soeben die Ableh-
ıung des spanischen Handelsvertrages er-
'eicht hat, werden wir m. E., wenn in der Ein:
stellung der Landwirtschaft keine Änderung
äntritt, — auch ganz zweifellos _beim italies
schen und polnischen Vertrag usw. — die
;rößten Schwierigkeiten haben, Verträge im
deichstage durchzusetzen, welche für _die
Jeutsche Exportindustrie tragbar sind. Diese
Politik der Landwirtschaft ist nicht nur völlig
:inseitig, sondern auch kurzsichtig,
"Es ist‘bekannt; daß die Agrarkrise, im
Segensatz zu der Zeit vor dem Kriege, wo
lie deutsche Landwirtschaft unter über:
iroßem und stark preisdrückendem Angebot
us dem Auslande litt, in dem letzten Jahre
las drückende Ausmaß nur deswegen ange:
ıommen hat, weil infolge des starken Rück-
janges der Kaufkraft der industriellen Bevöl:
cerung der Absatz in Deutschland fehlte. Wie
ıber soll die Kaufkraft der nichtagrarischen
3evölkerung Deutschlands gehoben werden,
venn wir nicht zu günstigen Handelsverträgen
s<ommen? Die Landwirtschaft hat deshalb
jelbst ein Interesse daran, hier nicht eine ab-
;olut kurzsichtige und einseitige Politik zu
reiben.