Stern über uns waltet, der vielleicht auch
aus diesen Schwierigkeiten, in denen wir
uns jetzt befinden, herausführt.
Wir hatten im Jahre 1921 das Kredit-
angebot der deutschen Industrie unter der
Regierung Wirth. Vielleicht entsinnen sich
zinige Herren noch an die Verhältnisse jener
Zeit in München. Wenn ich damals gewußt
hätte, was ich heute weiß, dann würde ich
dieses Angebot noch einmal machen. Aber
ich würde mich vorher der Zustimmung aller
Beteiligten versichern und nicht eine so be:
deutsame Handlung durch eine öffentliche
Diskussion in ihren großen und entschei:
denden Wirkungen zerstören lassen. ,
Es kamen dann die Verhandlungen mit
Ingland durch Rathenau und Hugo Stinnes.
Es folgten die Reparationsfragen, die alle
vier Wochen aufs neue zu einer Lösung
drängten. Schließlich erwähne ich die für
mich schwierigste Arbeit, die Zentral:
arbeitsgemeinschaft. Aber der Geschäfts:
führer des Reichsverbandes mußte hin und
her zwischen Sitzungen in sämtlichen Mini-
sterien und über den unlösbaren Fragen der
Reparationen arbeiten. Und wenn er damit
fertig war, dann mußte er in die Sitzungen
der Zentralarbeitsgemeinschaft. Überall sah
er das eine: ungenügende Mittel, denen über-
‚ große Forderungen entgegenstanden. Es kam
des weiteren der Reichswirtschaftsrat mit
seinen am Anfang unendlich vielen Sitzungen,
seinem unerschöpflichen Redestrom und
seiner phänomenalen Unkenntnis der Grund:
sätze wirtschaftlicher Forderungen — Dinge,
die eine Zeit gekostet haben, die, auf Papier
zedruckt und in Bände gebunden, eine ganze
Bibliothek ausmachen würden. Trotzdem
hat alles dieses außerordentlich fruchtbar
auf die Zeitverhältnisse gewirkt, denn ich
kenne keinen Menschen und kein Gremium
und keine andere Stelle, in der im Laufe
der Zeit so viel wirtschaftliche Erkenntnis
verbreitet wurde, wie im Reichswirtschafts-
rat. Nachdem die Zentralarbeitsgemein-
schaft aufgelöst war, blieb der Reichswirt-
schaftsrat, und er ist meines Erachtens heute
noch die einzige Stelle, wo Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sich gegenüber sitzen und sich
aussprechen können. Neben allem anderen
sehe ich darin eine wesentliche Bedeutung
dieses Institutes, denn ich bin fest übers
zeugt, daß eine Wirtschaft nicht zu führen
ist, wenn nicht ein grundsätzliches Einver-
‚ständnis zwischen. Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer, herbeigeführt wird. Wie dies Her:
seigeführt werden kann, ist eine ganz andere
Frage: ob wir auf richtigem Wege sind oder
äicht, ob es noch andere Wege zum Ziele
;ibt, ist gleichfalls gesondert zu betrachten.
56 muß aber eine solche Einheit herbei:
jeführt werden, wenn wir bestehen wollen.
Dann die Finanznöte des Reiches wäh-
‚end der Inflationszeit! Wie oft mußten wir
zum Reichskabinett hingehen, um dort zu
zrklären, daß nichts mehr vorhanden sei.
Man mußte dem Reiche Gelder leihen, man
nußte Maßnahmen ergreifen, die in nor-
nalen Zeiten niemals hätten verantwortet
verden können. Ich erinnere an die Hergabe
zon Devisen in den Zeiten höchster Not,
‚on Devisen, mit denen wir vorgesehen
1atten, einmal die Reichsbank, die Goldbank
zu machen, die aber hergegeben werden
nußten, um die Getreide: und sonstigen
‚ebensmittelschulden der Regierung abzu-
lecken.
Es kam dann das Eisenbahngutachten.
is kamen nach dem Zusammenbruch der
Mark die ungeheuren Arbeiten bei der
Zentenbank und schließlich die Arbeit beim
Jawes-Gutachten.
Die Erkenntnis aus alledem, was ich in
surzen Worten ausgedrückt habe, ist für
nich, daß alle Arbeiten und alle wirtschaft:
iche Erkenntnis für nichts erworben und
‚orhanden ist, wenn die staatliche Autorität
'"chlt und wenn nicht der” Wille vorhanden
st, das, was wir erkannt haben, zu exeku-
jeren. Es wird uns der Vorwurf gemacht,
vir hätten die Inflation geschaffen und hätten
ıichts dagegen getan. Die Industrie hätte an
lem schuld. Das ist vollkommen falsch.
Die Industrie hat einen einheitlichen Willen
n diesen Dingen erst allmählich erfahren,
laß er notwendig ist. Sie hat zuerst sehr
zersplittert gearbeitet. Die Verantwortung
iegt ganz wo anders. Sie liegt da, daß die
Untergrabung der Staatsautorität durch die
Zevolution und der Mangel einer kraftvollen
Gegenwirkung gegen diese sogenannte Re-
‚olution einen Zustand herbeiführten, in
Jem niemand bewußt oder unbewußt Führer
vurde. So wurde die Autorität vollkommen
ıbgebaut. Und als sie auf dem Nullpunkt
ıngelangt war, als man überhaupt kein Vers
rauen zum Staate mehr hatte, da war €s
nöglich, die Rentenbank durchzuführen.
hıre Form war nur möglich, weil der Staat
zein Vertrauen mehr genoß, bei dem Abbau
Jer staatlichen Autorität: blieb allein die:
Intfaltungsmöglichkeit der Individualität
ibrig, und auf dem individuellen Gebiete
wurde in der Nachkriegszeit Beträchtliches
zeleistet.
Daß die Untergrabung der Staatsautori« |
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