Unsicherheit, in der wir bei der ganzen politischen Gestaltung
Europas heute sind, glauben, hier auch ihre steuerpolitischen Not—
wendigkeiten befriedigen zu können. Denn man kann von der
Industrie, wenn man sie hochzüchtet, auch steuerpolitisch immer
viel leichter Geld bekommen als von der Landwirtschaft; das liegt
in der Natur der Buchhaltungsgebarung der verschiedenen Ge—
werbe. Es ist für werdende Staaten immer ein Bedürfnis ge—
wesen, sich eine Industrie zu schaffen, wenn sie steuerpolitisch
leicht faßbare Bestände haben wollten. Wir leiden also unter
diesem Geschichtsvorgang, daß die neuen Staaten selber eine
sachliche Notwendigkeit empfinden, sich mit Hochschutzzöllen zu
sichern, und mehr noch, daß sie die Hochschutzzölle als Voraus—
setzung von Kapitalbildung betrachten. Ganz Europa ist ver—
armt, es sollen neue Kapitalien gebildet werden, sie sollen ge—
bildet werden nach der primitiven Anschauung einer durch den
Zoll gesicherten Zusatzrente. Die Frage stellt sich nun so dar:
daß wir auf der einen Seite hereinkommen wollen und müssen
bei den andern mit unseren Waren; da kommt dann aber die
Gegenfrage: dürfen und wie weit dürfen wir den andern den
Weg zu uns selber versperren? Hier wandelt sich noch einmal
das internationale, vor allem das europäische, zu dem deutschen
Problem: wird es möglich sein und in welchem Umfange, die
deutschen Gestehungskosten herabzudrücken? Ich repetiere jetzt
nicht die Klagen des Handwerkers und des Industriellen über die
sozialen Lasten und über die unterträglichen Steuern. Gewiß,
diese Steuern waren 1924 unerträglich, aber ich brauche nicht zu
beschreiben, daß sie notwendig gewesen sind unter dem Gesichts—
punkt der Sicherung unserer Währung. Volkswirtschaftlich steht
Deutschland, da es wieder exportieren will, vor der Frage: wird
es möglich sein, die allgemeinen volkswirtschaftlichen Gestehungs—
kosten, die heute vielfach über Weltmarkt liegen, trotz der Arbeiter⸗
löhne, die, an den ausländischen Löhnen gemessen, vielfach niedrig
genug erscheinen, herabzudrücken und den deutschen volkswirt—
schaftlichen Gesamtbetrag zu entlasten von den aus der Kriegszeit
noch hereinragenden Institutionen zwangswirtschaftlicher Natur,
die heute erledigt werden müssen, die sozialpolitisch wohl einmal
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