Sucht man näher nach der Aufgabe des Menschen, so findet
man sie einmal in der Sicherung seiner materiellen Existenz und
zum zweiten in der sittlichen und geistigen Vervollkommnung seiner
selbst. Das Erste ist die Voraussetzung für das Zweite, d. h. die
Pflege der Künste und Wissenschaften, unsere Kultur und Gesittung
hängt davon ab, daß wir die materiellen Grundlagen für unser Da—
sein schaffen. Heute erkennen wir das mehr als je, da von äußerer
Not unsere künstlerischen und wissenschaftlichen Institute, wie
Kuust und Wissenschaft selbst bedroht sind.
Es fragt sich: Auf welcher Grundlage kaunn der Mensch seine
Aufgabe erfüllen? Nicht als Einzelwesen, dazu ist er zu schwach,
und er würde dabei im einfachen Vegetieren aufgehen. Nur als
Gesellschaftswesen kann er leben, wirken und seine höhere Bestim⸗
mung erfüllen. Die Gesellschaft aber ist keine beliebige Vereinigung
einzelner Menschen. Es gehört dazu eine auf inneren Gesetzen und
Bedürfnissen beruhende Gemeinsamkeit der Interessen. Als erste und
wichtigste Gemeinschaft ergibt sich die Familie, deren Notwendig—
keit schon durch die physischen Gesetze der Fortpflanzung und Er⸗
—D—— Gemeinschaft er⸗
kennen wir das Volk, dessen Notwendigkeit in der Sicherung des
Einzelnen und des Stammes nach außen und innen und in der Ver⸗
wirklichung aller Kulturziele begründet ist. Dieses sind aber nur
die physischen und Zweckmäßigkeitsgründe einer Gemeinschaft. Daneben
gibt es wichtigere und höhere Gründe: die Blutsgemeinschaft und
Stammesverwandtschaft, die Gemeinsamkeit der Sprache, der Ge—
schichte, der Sitten und Gebräuche und alles dessen, was man Kultur
nennt und was sich mehr oder weniger überträgt auf den Staat, als
den Träger der politischen Macht.
Zwischen Familie und Volk oder Staat als der kleinsten und
größten Einheit gibt es noch andere Gemeinschaften: Ortsgemeinden,
Landsmannschaften, Berufsgruppen usw.; alle diese haben auch ihre
Sonderberechtigung und ihre Sonderpflichten, aber sind untergeord⸗
net jenen beiden, deren Vorrechte sie zu achten haben.
Ueber Volk und Staat gibt es keme höhere Gemeinschaft. Die
Menschheit ist nur ein naturgeschichtlicher Begriff, wie die Tierwelt
oder Pflanzenwelt. Nicht etwa, daß die verschiedenen Völker nicht
biele gleiche Eigenschaften, Triebe und Ziele hätten — das ist üb—