Kehrseite der gesteigerten Milchproduktion
Daß die heimische Landwirtschaft aus der Ueberlegenheit der
Milchproduktion ihre Konsequenzen zu ziehen gewillt ist, zeigt
ein Blick auf die Bewegung der Rindviehbestände in den letzten
Jahren.
Die Zahl der Kühe hat 1927 den Vorkriegsstand schon um
3% überschritten und der Anteil des Kuhbestandes am gesamten
Rinderbestand ist von 54% 1913 auf 57% 1927 gestiegen; der
Bestand an Ochsen und Bullen dagegen ist, wenn man ihn
auf den Kopf der Bevölkerung errechnet, auf die Hälfte zu-
sammenageschmolzen.
Hier offenbart sich deutlich die Kehrseite der gesteigerten Milch-
produktion. Während nämlich im landwirtschaftlichen Betriebe die
Schweinehaltung jeweils unabhängig vom Umfang der verfügbaren
landwirtschaftlichen Nutzfläche mit Hilfe der Einfuhr ausländischer
Futtermittel nach Belieben ausgedehnt werden kann, ist die Rinder-
haltung in ihrer Ausdehnung durch den Umfang der vorhandenen
Grünfläche begrenzt. Der landwirtschaftliche Betrieb steht daher
in den meisten Fällen vor der Frage, ob er das verfügbare Futter
durch Kühe in Milch, oder durch Ochsen in Fleisch umwandeln soll.
Nach dem Vorausgesagten ist es nur zu verständlich, daß hier,
wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die Entscheidung zu
Gunsten der Milchoroduktion ausfällt.
Dadurch ergibt sich aber zwangsläufig eine immer größer
werdende Lücke im Angebot des für den Frischfleischverkauf ge-
eigneten Rindfleisches.
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