Full text: Das Arbeitsrecht der Čechoslovakischen Republik

Weltkrieg steigerte noch ihren Einfluß. Sie wurden von den Behörden 
als berufene Spitzenvertretungen der Arbeiterschaft anerkannt und in 
der verschiedensten Weise zur Mitwirkung bei der Durchführung der 
Kriegsaufgaben herangezogen. Vor allem aber gab ihnen die staat— 
liche Umwälzung der politischen und sozialen Machtverhältnisse und 
dem hiemit zusammenhängenden Aufschwung der Gewerkschafts 
bewegung eine Bedeutung, die weit über die ihnen bis dahin erwach— 
senen Aufgaben hinausging.“ (Im Deutschen Reiche betrug die Ge— 
samtzahl der in Arbeiter- oder Angestelltenverbänden organisierten 
Arbeitnehmer Ende 1913 4,506.971, am Ende 1920 12,580. 000, und 
dies trotz des Verlustes an Staatsgebiet und an Verlusten im Kriege.) 
Die früher zitierten Worte haben auch für unsere Verhältnisse Gültig— 
keit! Im alten Österreich betrug die Gesamtzahl der gewerkschaftlich 
organisierten Personen Ende 1913 748.760 (bei einer Bevölkerung 
von 2896 Millionen); in der öecchoslovakischen Republik Ende 1928 
1,627.506 bei einer Bevölkerung von 14524 Millionen! Das „Kon— 
stitutionelle Prinzip“, welches neben dem bisher maßgebend gewesenen 
Willen des Arbeitgebers, auch den Willen der Betriebsarbeiterschaft, 
der organisatorisch zusammengefaßten Arbeiterschaft des Betriebes 
als mitsprechenden Faktor zur Geltung bringt, gewinnt an Be— 
deutung, es will, wie Friedrich Naumann sagte, die bisherigen Be— 
triebsbuntertanen zu Betriebsbürgern machen. Die große Materie des 
Arbeitsrechtes ist großenteils noch im Flusse, an viele auf dessen Ge— 
biete erlassenen Gesetze muß erst die Angewöhnung eintreten, sie 
müssen sich in der harten Schule des Lebens, in der Praxis, erst be— 
währen, Novellierungen werden in verschiedener Hinsicht notwendia 
erscheinen. 
Im Hinblick auf die früher erörterten Umstände fand der öecho— 
slovakische Staat für eine Gesetzgebung auf dem Gebiete des Arbeits— 
rechtes eine reiche Bestätigungsmöglichkeit; im alten Österreich war 
infolge der unglücklichen parlamentarischen Verhältnisse die Maschine 
der Gesetzgebung fast zum Stillstande gekommen und Ungarn war 
auf diesem Spezialgebiete der Gesetzgebung ohnehin sehr im Rück 
stande! Dr. Gruber (im April 1925 gestorben, Professor an der 
6ẽ. Universität in Prag, gew. Minister für soziale Fürsorge) schildert 
die Situation wie folgt: „Wie wenn im Eiltempo alles nachgeholt 
werden sollte, was im alten Hsterreich von der Gesetzgebung der letzten 
Jahrzehnte verabsäumt wurde, griff die Legislative unserer Republik 
fast nach allen Zweigen des wirtschaftlichen Lebens und die grund— 
legendsten sozialpolitischen Probleme wurden angeschnitten. Zwei
	        
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