Full text: Rationalisierung als Kulturfaktor

III. Rationalisierung und Kunst 
187 
digen Menschen innerhalb der versachlichten Natur erst wieder möglich 
gemacht. Sie hat den Menschen aus dem Chaos, in das ihn dle un⸗ 
bewaltigte Organisation, Technik, Kunst und Wissenschaft geworfen 
hatte, herausgeführt in eine Welt, die zwar noch nicht gebändigte 
Kraft ist, aber dennoch den Willen hierzu bereits vielfältig beweist. 
Unendlich viel organisches Formgefühl, sicherer Instinkt für die 
Verhaltnisse und das Zusammengehöͤrige sind hierbei verloren⸗ 
gegangen. Was frühere Zeiten als höchste Vollendung, maßvolle Ge⸗ 
stalt, gerundete Endgültigkeit empfanden und ehrten, als schön und 
weise, bedeutend und wahr, erscheint den Menschen der rationalistischen 
Lebenshaltung als klein und eng, als spielerisch und sentimental. 
Die Welt der unmittelbaren Menschlichkeit ist verdraäͤngt. Das 
Unpersonliche hat gesiegt. Die Menschen werden mehr und mehr 
abgeneigt, die Dinge in ihrer Nacktheit so zu sehen, zu formen und zu 
genießen, wie sie nun einmal sind. Sie suchen nach Zwischenschaltungen, 
nach Symbolen und Zeichen, nach Stellvertretungen und Typen. 
alus einem ersten und ursprünglichen Verhaltnis zu den Dingen sind 
sie zu ihrer Wertung als Ausdrucksmittel der Idee, als abgeleiteter 
Abstraktionen gekommen. 
Allein dies ist der Weg aller Kultur. „Kultur wird, wenn der Mensch 
aus dem bloß Vorhandenen zum Bedeutungsvollen, Wesenhaften 
vordringtx).“ Der Mensch der rationalen Lebensführung hat mit 
dem kulturverbundenen Menschen aller Zeiten das eine gemein, daß 
er sich von der Vereinzelung, von der Einmaligkeit loslöst zu einer 
Beherrschung der Wirklichkeit durch ein Gebaren, das typisch, das 
für alle Faͤlle „richtig“ ist. 
Damit aber sind wir wiederum beim ,Stil angelangt, bei den „mei⸗ 
nenden Zeichen, die nicht mehr auf besondere Dinge gehen, sondern auf 
alle Dinge dieser Art“xx). Angelangt also auch bei der „Zweckkunst! un⸗ 
Romano Guardini, Briefe vom Comosee, Mathias Grünewald-Verlag, 
Mainz 1927, S. 26. 
xx) Guardini, a. a. O. S. 29.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.