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A. Tatsachen
Jedes Werturteil über die Kartelle kann daher Gültigkeit nur für die
Wirtschaftslage beanspruchen, die es jeweilig voraussetzt“x).
Auch die Weltwirtschaftskonferenz, die sich im Mai 1927 in wochen⸗
langen Verhandlungen eingehend mit dem Kartellproblem befaßt hat,
hat in ihrer Entschließung über internationale Industriekartelle ähn⸗
lichen Erwägungen Ausdruck gegeben. „Die Konferen;“, so heißt es
darin, „mußte feststellen, daß die Kartellierung zu einer prinzipiellen
Stellungnahme keine Veranlassung gibt, sondern daß sie eine Tatsache
darstellt, deren Entwicklung festzustellen ist, und die unter gleichen
Umständen in der Praxis je nach dem Geiste, in dem diese Kartelle
abgeschlossen und durchgeführt werden, besonders aber je nach dem
Grade, in dem sich die führenden Persönlichkeiten von der Rücksicht
auf das Gemeinwohl leiten lassen, gut oder schlecht genannt werden
kann.“ Mit Bezug auf die Bedeutung der Kartelle für die Rationali⸗
sierung heißt es weiter: „In bestimmten Industriezweigen können die
Kartelle jedoch unter gewissen Bedingungen und Vorbehalten folgendes
bewirken: systematischere Entwicklung der Produktion und Herab⸗
setzung der Unkosten durch bessere Ausnutzung der bestehenden Pro⸗
duktionsmittel, rationellere Entwicklung neuerer Produktionsanlagen
und zweckmäßigere Gruppierung der Unternehmungen. Andererseits
mildern sie unwirtschaftliche Konkurrenzkämpfe und vermindern die
aus den Konjunkturschwankungen entstehenden Schäden.“
„Jedoch ist die Konferenz der Ansicht, daß Kartelle, wenn sie mono⸗
politische Bestrebungen und die Anwendung von ungesunden Ge⸗
schäftsmethoden unterstützen, den technischen Fortschritt der Produk⸗
tion hemmen und Gefahren für die berechtigten Interessen wichtiger
sozialer Gruppen und gewisser Länder in sich schließen können. Die
Konferenz ist daher der Ansicht, daß die Kartelle auf keinen Fall künst⸗
liche Preissteigerungen hervorrufen dürfen, die den Verbrauchern zur
x) G. Lucas, Kartell⸗ und Rechtsordnung, Zeitschrift für die gesamte Staats⸗
wissenschaft, do. Jahrgang, 1925/26, Heft 3, S. 428, zitiert bei Lehnich a. a. O.,
S. 85.