Erster Teil.
versucht die Existenz von durch die Statistik feststellbaren
Regelmäßigkeiten und Konstanzen, welche den nur scheinbar
willkürlichen menschlichen Handlungen ihren Stempel auf-
drücken, nachzuweisen. Der freie Wille spiele nur die Rolle einer
zufälligen Ursache (une cause accidentelle) 5, deren Wirkungen
ang begrenzt und, insoweit Massenerscheinungen in Frage
stehen, überhaupt nicht vorhanden seien®. Auch diese Theorie
macht ihrem Wesen nach, d. h. in ihrem mit festen Beständen
rechnenden Fatalismus, die Moralstatistik zumal in ihrer dyna-
mischen, d. h. sozialpolitischen Orientierung hinfällig.
Deutsche Jünger Quetelets, wie Adolph Wagner, haben die
5 Quetelet, Systeme social, p. 69.
6 Dieses Problem hat bekanntlich eine außerordentlich große Literatur
hervorgerufen, Wir nennen nur die bedeutendsten Veröffentlichungen: Alex-
ander von Oettingen, Die Moralstatistik. Induktiver Nachweis der Gesetz-
mäßigkeit sittlicher Lebensbewegung im Organismus der Menschheit, Er-
langen 1868, Deichert; G. F. Knapp, Die neueren Ansichten über Moral-
statistik (1. c.), S. 249; Hermann Siebeck, Das Verhältnis des Einzel-
willens zur Gesamtheit im Lichte der Moralstatistik, in den Jahrbüchern
für Nationalökonomie und Statistik, Jena 1879, Fischer, vol. XXXII,
p- 350; Wilhelm Lexis, Artikel Moralstatistik, im Handwörterbuch der
Staatswissenschaften, Jena 1910, Fischer, vol. VI; Adolf Wagner, Die
Gesetzmäßigkeit in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen
vom Standpunkt der Statistik, Hamburg 1864, Teil I und II, insbesondere
Teil I; Ferdinand Tönnies, Die Gesetzmäßigkeit in der Bewegung der
Bevölkerung, im Archiv £f. Sozialw. u. Sozialpol., Bd. 39, Heft ı (Juli
1914), S. 150—173, und Heft 3 (Juli 1915), S. 767—79%4; Napoleone
Colajanni, I determinismo e I critici di Quötelet, in La Sociologia Crimi-
nale, Catania x889, Tropea, vol. 2, p. 3off.; Maurice Halbwachs,
La th6orie de I’Homme Moyen. Essai sur Quetelet et Ja Statistique morale,
Paris 1913, Alcan, p. 104. Unter den Italienern hat sich vor allen Dingen
Angelo Messedaglia in seiner 1873 in Padua gehaltenen Vorlesung
Sulla Seienza dell’ Et Moderna und andern Schriften um die Weiter-
antwicklung der angeregten Frage verdient gemacht (8. Achille Loria,
Angelo Messedaglia, in Verso la Giustizia Sociale, Milano 1904, Soc. Ed.
Libr., vol. I, p. 66; Filippo Virgilii, La Statistica della Odierna Evo-
juzione Sociale, Palermo 1903, Sandron, p- 99—106). — Historisch wichlig
ist auch Luigi Luzzatti, Saggio sulle dottrine dei precursori religiosi e
flosofi dell’ odierno fatalismo statistico, Perugia 1895, Boncompagni.