Die störende Wirkung der Reparationen für die Empfangsländer, 79
preisen und Ertragspreisen 1), bis diese Verlagerung endlich einen derartigen Grad
erreicht, daß es in England usw. zum Zusammenbruch der Konjunktur „mit ge-
borgtem Mut‘ kommt. Und dann, wenn alle Geschäfte schlecht gehen, der Zins und
die Renten in England sinken, sodaß man. sich um gute langfristige Anlage und
um relativ hohe Rente angesichts des Überflusses an schlecht rentierenden und zu-
sammenbrechenden Anlagen in England usw. gradezu „rauft‘“, wird man sich gegen-
seitig unterbieten, sein Geld bei uns investieren zu dürfen; dann werden wir zu
billigsten Sätzen langfristige Kontrakte im Übermaß angeboten erhalten. Hier zeigt
sich, daß wir in diesem Zinskampf die innere Frontlinie haben, Die Frontilinie
muß verteidigt werden von den deutschen Wirtschaftspraktikern und Wirischafts-
theoretikern aller Dienstgrade. Von den Praktikern halten sich diejenigen, welche
für eigne Rechnung und Gefahr wirtschaften, also die Privatwirtschaft, bereits sehr
tapfer, was nicht weiter verwunderlich ist, weil sie mit ihrem eigenen Vermögen
für die Kontrahierung sinnloser Zinsen büßen; die Beanspruchung von Auslands-
kapital für private Betriebe ist — abgesehen von der in diesem Zusammenhang .un-
schädlichen Aktienemission. — zurückgegangen. Um so unbeherrschter gehen die
Praktiker, welche nicht für eigne Rechnung und Gefahr, sondern auf Kosten der
Steuerzahler und dazu meist in Monopolstellung wirtschaften, also die Betriebe der
öffentlichen Hand ins Geschirr; sie leisten dem Feinde in diesem Kampfe gradezu
Vorschub und erlauben ihm, sich zu unberechtigt hohen Zinsen der deuischen
Anlagen zu bemächtigen. Die Unbekümmertheit, mit der die Leiter der öffentlichen
Betriebe unsere Kinder und Kindeskinder mit Zinsen belasten, deren Höhe man in
vergangenen Jahrzehnten als vollendeten Wucher bezeichnet hätte und die
volkswirtschaftlich nicht berechtigt sind, schwächt unsere Kampfkraft ganz un-
geheuerlich, Damit ist zugleich die Aufgabe der Wirtschaftstheoretiker genügend
gekennzeichnet; wenn unser Untersuchungsergebnis nicht auf fundamentalen Irr-
tümern beruht, dann müssen sie geschlossen in die Frontlinie einrücken und jeder
nach seiner Art und in seinem Wirkungskreis den Zinskampf kämpfen, aber nicht
so, daß sie nach Art kleinlicher Literaten sich durch übertriebene oder unnötige
Kritik von Einzelheiten oder terminologischen Divergenzen mit Lorbeer schmücken
und in Wirklichkeit als Defaitisten, auf gut deutsch als Flaumacher wirken,
Zusammengefaßt ist zu sagen, daß es den sogenannten deutschen Barzahlun-
gen für das Empfangsland vollkommen an volkswirtschaftlicher Effektivität ge-
bricht, ihre Wirkung ist nur eine psychologische, indem sie den verantwortlichen
Staatsleitern in Frankreich, England usw. Mut machen zu Umsätzen in ihrer In-
{andswirtschaft, welche sie ohne die Fiktion der Barzahlungen entweder 'unter-
Jassen oder — und hier ist die Achillesferse der Ententepolitiker — auf Steuern
nehmen müßten. Die Folge der psychologischen Mutverstärkung sind steigende
Preise und Aushöhlung der Einkommen einerseits und eine nicht freiwirtschaft-
lich, sondern zwangswirtschaftlich vorgetriebene Konjunktur, Es kann unmöglich
anders sein, denn die sogenannte Barzahlung besteht nur aus kaufmännischen
Buchungen und Korrespondenzaktionen in den Kontoren der internationalen Bank-
welt. Im Ganzen handelt es sich mithin um eine vollendete weltwirtschaftliche
Mystifikation.
Sobald die ehemals ersparten Steuerbeträge sich in deutscher Anlage nieder-
geschlagen haben, ist für die zugrunde liegende Vermögensmasse gewissermaßen
1) Die von mir als «- und P-Sekundäreffekt herausgearbeitete Erscheinung des Kon-
junkturablaufs; siehe Mahlberg, Konjunkturbeeinflussung durch Kalkulations- ünd Kredit-
politik, a. a, 0.