Full text: Das Jungdeutsche Manifest

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Die Nachbarschaft ist die lebendige Grundschule der 
höheren Staatsführung. 
Verglichen am Beispiel der militärischen Organisation ist sie die 
Truppe. Die höhere militärische Führung würde ihren Sinn ver—⸗ 
lieren, wenn sie nicht alle Erkenntnisse und Probleme mit den grund⸗ 
legenden Wesenszügen der Truppe in Einklang brächte. Im militä— 
rischen Leben ist ein höherer Führer undenkbar, der nicht in jeder 
Beziehung ein Kenner der Truppe ist. Der Volksstaat zwingt in dem 
gleichen Maße dazu, die höhere Führung des Staates in Einklang mit 
dem Wesen der Nachbarschaft zu bringen. Die Truppe ist der bleibende 
Mahner für den militärischen Führer, die Praxis nicht von der 
Theorie zu trennen. Dieselbe Aufgabe fällt der Nachbarschaft in bezug 
auf die höheren Führer im Staate zu. Sie ist für die deutsche Ent— 
wicklung von besonderer Bedeutung, weil die Gefahr einseitiger theore⸗ 
tischer Einstellung für den politischen Führer besonders groß ist. 
Der Volksstaat kennt jenen Begriff der Trennung von politischer 
Führung und politischer Gewalt nicht, wie ihn die moderne Demo— 
kratie für das Parlamentariertum geprägt hat. Eine Führung ohne 
jedwede Gewalt ist unmöglich. Eine bestimmte Gewalt ist Vorbedin— 
gung für die geforderte Aufgabenerfüllung des Führers der Nach-— 
barschaft. 
Er wird infolgedessen mit einer Art Disziplinagar— 
gewalt ausgestattet. 
Diese Disziplinargewalt geht so weit, wie es die Erhaltung der 
Gemeinschaft fordert. Der Führer der Nachbarschaft ist zur Ver— 
hängung von Ordnungsstrafen für Verstöße gegen die verfassungs⸗ 
rechtlich festgesetzten Staatsbürgerpflichten berechtigt. Die Rechtskraft 
dieser Disziplinarstrafen wird durch ordentliche Gerichte herbeigeführt, 
denen von der Nachbarschaft gewählte Staatsbürger als Schöffen 
beigegeben sind. Die Umrandung und Gestaltung dieser Disziplinar⸗ 
gewalt des Führers ist verfassungsrechtlich festzusetzen. 
Diese Ausstattung des Führers mit einer gewissen Disziplinar⸗ 
gewalt ist als wesentlicher Anreiz für die Staatsbürgerschaft zu 
betrachten, das Mitbestimmungsrecht an der Kur des Führers vom 
Standpunkt ernstester Verantwortung zu handhaben. Sie zwingt den 
Staatsbürger zur Prüfung der Charakterwerte der Führerschaft. 
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