Full text: Das Jungdeutsche Manifest

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der Ansammlung. Das Wesen der Masse ist Organisationslosigkeit und 
Strukturlosigkeit. Das Gegenteil des Begriffes Masse bedeutet der 
Begriff Organisation. Im jungdeutschen Sinne ist der noch größere 
Begensatz der Begriff Gemeinschaft. 
Der Einzelmensch steht zur Masse in keinem bindenden Zusammen⸗ 
hang. Er ist innerhalb der Masse nicht Mensch mit Eigenarten und 
Gefühlswerten, sondern er ist Nummer. Wenn der Mensch seinen Blick 
auf eine Masse richtet, so ist er nicht in der Lage, die einzelnen 
Menschen dieser Masse zu begreifen, sondern er sieht nur das Bild 
einer gewaltigen Ansammlung von Menschen vor sich. 
Der Einzelmensch ist in der Masse ein anderer wie 
allein genommen. 
Völlig unverantwortlich steht er als unbekannte Nummer den 
kreignissen gegenüber, welche sich in der Masse vollziehen. Diese 
Verantwortungslosigkeit reizt die schlechten und selbstsüchtigen Triebe 
auf. Die Psychose, welche die Masse ergreift, ergreift auch jeden 
kinzelnen und drängt die Gefühle nüchterner Prüfung und prüfenden 
Nachdenkens in den Hintergrund. Die Macht des Verstandes weicht 
der Macht der Gefühle. Diesem psychischen Wandel sind fast alle 
Menschen mehr oder weniger ausgesetzt. Besondere Ausnahmen 
bestätigen die Regel. Es muß also der Charakter der Masse auch 
einen anderen geistigen Inhalt haben als die sinnbildliche An häãufung 
der Gefühlswerte aller Einzelmenschen ergeben würde. 
Die Eigenschaften der Masse sind durch das Verhältnis bedingt, 
in welchem der einzelne Mensch zu ihr steht. Sie unterliegt auf Grund 
mannigfaltiger psychischer Gesetze einem besonderen Geiste. Dieser 
Beist wird in erster Linie durch die völlige Verantwortungslosigkeit 
—OO ist eine anonhme Gewalt. Für die Taten 
der Masse sind eigentlich alle verantwortlich und doch keiner. Jeder 
Willensausdruck der Masse ist abhängig von der Zahl. Je größer die 
Zahl derer ist, die ihren Willen in Form des Beifalls, der Zustimmung, 
der Entrüstung oder der Ablehnung äußern, um so stärker erscheinen 
diese Außerungen als Willensäußerung der Masse. Die einsichtsvollen 
Menschen dagegen sind stets in der Minderheit. Ihre Macht kann sich 
nur dann auswirken, wenn sie Zeit haben, die Mehrzahl der anderen 
durch Geist und Logik zu überzeugen und deren Einsichtslosigkeit in 
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