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nach Vollständigkeit zu streben. So beschäftigt er sich in einem
Kapitel über England mit der englischen Thronfolge, den Gerecht-
samen des Königs, der Krönung, den Rittern des Hosenbandordens,
dem Parlament usw. Natürlich darf man sein Werk nicht mit der
Elle moderner Wissenschaft messen. Seine Mitteilungen über die
einzelnen Staaten waren — das lag in der Natur der Sache — alies
andere als vollständig; die englischen Staatseinnahmen werden auf
einer einzigen Seite erledigt, die Rechtspflege mit 8 Zeilen usw.
Erst viel später konnte von größerer Vollständigkeit und tieferem
Eindringen in den Stoff die Rede sein.
Botero geht bei seiner Darstellung von ähnlichen Gesichts-
punkten aus, obzwar er seinen Stoff etwas anders ordnet und dabei
klareren Überblick gewinnt. Er teilt sein Werk in drei Abschnitte:
Zuerst wird das Territorium in einer ziemlich knappen und im
wesentlichen geographischen Darstellung behandelt; darnach be-
schreibt er den Zustand der einzelnen Staaten (Verwaltung, Ur-
sachen der Größe der Staaten, Wohlstandsverhältnisse) und schließlich
in einer Reihe kirchengeschichtlicher Betrachtungen den religiösen
Kultus Land für Land.
13. In den folgenden Jahrhunderten wächst nun ein ganzer
Literaturzweig heran in engerer oder weiterer Anknüpfung an die
erwähnten Werke, und namentlich wurde die Staatenkunde eifrigst
von deutschen Universitätsprofessoren gepflegt. So mag der bekannte
Polyhistor Hermann Conring (1606—1681), Professor an der
Jlamals blühenden Universität zu Helmstedt in Braunschweig, er-
wähnt werden. Von 1660 an hielt er eine Reihe von Jahren hin-
durch unter großer Beteiligung in seiner Wohnung Vorträge über
Staatenkunde. Er hatte seine Vorlesungen nicht schriftlich ausge-
arbeitet, sondern stützte sich ausschließlich auf sein glänzendes Ge-
dächtnis. Erst im Jahre 1730 erschien eine Ausgabe seiner ge-
samten staats- und rechtswissenschaftlichen Werke, in denen seine
Vorträge über Staatenkunde nach Aufzeichnungen der Zuhörer, welche
Notizen er dann wieder hatte abschreiben lassen, Aufnahme fanden.
Conring behandelt der Reihe nach Spanien mit seinen Ko-
lonien, Portugal, Frankreich usw., zuletzt Japan, Marokko und
Abessinien. Die Hauptquelle für die Darstellung Japans, die nur
wenige Seiten füllt, sind die Schilderungen der Jesuiten. Conrings
Darstellungsweise ähnelt der seiner Vorgänger; er zitiert viel, bringt
aber selbstredend durchweg kein Zahlenmaterial, beschränkt sich
gewöhnlich auf mehr allgemeine Ausdrücke wie: Ein Land ist dicht